Hilfsorganisation Cap Anamur

Flucht aus Vietnam

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Auch heutzutage arbeitet lediglich ein kleines Team von fünf Angestellten in der Kölner Geschäftsstelle, der Vorstand ist ehrenamtlich tätig. Cap Anamur zählt zu den kleinen bis mittleren Nichtregierungsorganisationen. Über drei Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr gespendet. Im Gegensatz zu den großen Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt oder Caritas International ­finanziert sich Cap Anamur ausschließlich über private Spenden und nicht durch staatliche Gelder der Katastrophenhilfe und der Entwicklungszusammenarbeit. »Das ist unser Vorteil, das macht uns in unseren Planungen frei«, sagt Franziska Bähr, die Sprecherin der Hilfsorganisation, der Jungle World. Zudem verzichte die Organisation weitgehend auf bezahlte Werbung. In den vergangen 40 Jahren seien 1 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsendet, 25 Millionen Patienten behandelt, beim Bau von 250 Krankenhäuser und 70 Schulen geholfen worden.

Bis heute wird die Organisation mit der Seenotrettung in Verbindung ­gebracht. Dabei betreibt Cap Anamur in erster Linie Gesundheits- und Bildungsprojekte an Land, in Uganda und dem Sudan, in Afghanistan, Nepal, Nordkorea und anderen Ländern. Ein eigenes Schiff besitzt die Organisation schon lange nicht mehr. Sie beteiligt sich auch nicht wie Sea-Watch oder Lifeline an der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer. Nach dem Charter der »Cap Anamur« vor 40 Jahren und einer langen Pause wurde erst 2004 ein weiteres Rettungsschiff entsandt. Es war jedoch nicht lange im Einsatz: Noch im gleichen Jahr wurden der damalige Vorsitzende Elias Bierdel und der Kapitän Stefan Schmidt in Italien festgenommen und wegen Beihilfe zu illegaler Einreise angeklagt. Die »Cap Anamur« hatte 37 Menschen vor dem Ertrinken gerettet und in Porto Empedocle auf Sizilien an Land gebracht, nachdem der Kapitän zuvor eine Notlage an Bord gemeldet hatte. Christel Neudeck möchte sich dazu nicht äußern, nur dass es sehr teuer und aufwendig war, räumt sie ein.

»Die Sache hat Narben hinterlassen«, sagt auch Bähr. Erst im Jahr 2009 folgte ein Freispruch, da Seenotrettung als internationale Seerechtsverpflichtung nach nationalem Recht nicht strafbar sein kann – was übrigens in den Prozessen gegen die unzähligen Fischer und unbekannten Retter aus Tunesien, Italien oder Griechenland nicht zu gelten scheint, ­deren Fälle in den Medien nicht präsent sind. Sie werden oft nicht freigesprochen, sondern zu teils langen Haftstrafen verurteilt. Der Prozess und die ­Beschlagnahmung des neu umgebauten Hospitalschiffes kostete die Organi­sation Millionen. »Wir wollen Flüchtlingen helfen«, betont Bähr, »aber heute tun wir das an Land, etwa im Libanon oder in Somalia.«

Die Seenotrettung der »Cap Anamur« von insgesamt 11 000 Menschen zwischen 1979 und 1987 aus Vietnam gilt als großer Erfolg. Doch häufig wird übersehen, wie hart er erkämpft wurde. »Es war nicht ungünstig, dass Rupert ein solcher Sturkopf war«, sagt Christel Neudeck. Nirgends waren die sogenannten Boatpeople aus Vietnam willkommen. Ähnlich wie heutzutage die Anrainer des nördlichen Mittelmeers wollten Malaysia und Indonesien die Neuankömmlinge nicht aufnehmen. Sie wurden in mit Stacheldraht umzäunte Lager gepfercht oder sogar mit ihren Booten zurück auf das Meer ­geschleppt.