Queeres Nachtleben in Tel Aviv und Jerusalem

Bass, Bier und Kippa

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»Jerusalem ist entspannter als Tel Aviv, nicht so spießig. Du kannst hier im Pyjama ausgehen und niemanden kümmert’s«, sagt Moran Aharoni bei einem palästinensischen Taybeh-Bier in der Kneipe »Casino de Paris«. Hier treffen sich Einheimische und Touristen, queer friendly ist die Kneipe, aber keine gay bar. Die Stadt sei religiöser geworden und die Gegensätze würden größer, sagt die queere Biologin mit den grünen Locken weiter. Ihr altes Viertel nördlich des Yehuda-Markts habe sich stark verändert. Früher sei es sehr gemischt gewesen, heute sehe man vor allem Ultraorthodoxe der verschiedenen Richtungen, auch viele aus den USA.

Zurück im »Videopub«. Tomo Hen, Aktivist bei den »Pink Panthers Is­rael«, sitzt mit Freunden auf der Veranda und bespricht die Kundgebung am Yehuda-Markt. Er war vor einigen Stunden an vorderster Front dabei. Der muskulöse Mann mit dem stattlichen Kaiser-Wilhelm-Bart stellte sich den homophob Ausrastenden entgegen. Er sei speziell aus Tel Aviv zur Kundgebung gekommen, die verschiedene queere Gruppen und Einzelpersonen organisiert hatten. Er halte viel aus; wenn er angeschrien werde, versuche er, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, sagt er. Wenn es um gleiche Rechte für LGBTI geht, zeige sich »die tiefe Spaltung der israelischen Gesellschaft«, so Hen. Gegen Mitternacht verabschiedet er sich nach Tel Aviv mit den Worten: »Ich fahre zurück in die Zivilisation.« Vorher empfiehlt er noch die Partyreihe »Kasha Haramot Culture« im Tel Aviver Stadtteil Florentin.

In Tel Aviv muss man nach Partys, selbst queeren, nicht lange suchen, das Angebot ist enorm. Der empfohlene Club im Hipster-Viertel Florentin liegt zwischen runtergerockten Werkstätten und einem Strip-Club, Graf­fiti zieren die Wände. Im Club findet sich das queere, junge und vor allem lesbische Publikum zuhauf, trotz langer Schlange vor dem Einlass und exorbitanten Eintrittspreisen. »Wir wollen die männlich dominierte queere Partyszene aufmischen«, sagt Reut Naggar, eine der vier Veranstalterinnen von »Kasha Haramot Culture«. »Dazu holen wir uns hauptsächlich weibliche und bald auch transsexuelle DJs ans Pult.« Die Musik reicht von orientalischen Beats über israelischen Psychedelic Funk bis zu Elektromixes mit traditioneller arabischer Musik. »Unser Ziel ist, dass Tel Aviv endlich auch die Party-Hauptstadt für queere Frauen wird.«