Familienplanung in Israel

Ein Kind macht noch keine Familie

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Die Anthropologin Teman hat für ihr Buch viele Jahre lang betroffene Frauen in Israel begleitet und befragt. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Annahme, Leihmütter seien herzlose, arme und sozial benachteiligte Personen, die von reichen Ehefrauen ausgebeutet würden, um Schwangerschaftsstreifen auf ihren perfekt operierten Körpern zu vermeiden, zu kurz greift. Diese Verallgemeinerungen würden der Mehrheit jener, die eine Leihmutterschaft in Auftrag geben, nicht gerecht: Sie wählten diese Möglichkeit nicht leichtfertig oder einem bloßen Modetrend folgend. Wenn heterosexuelle Paare sich für eine Leihmutterschaft entschieden, geschehe das in der Regel erst, nachdem sie lange mit Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten oder anderen medizinischen Problemen zu kämpfen hatten.

Doch gerade Feministinnen kritisieren das Konzept der Leihmutterschaft. Oft wird angemerkt, dass Kinder in dieser Industrie zur Ware und Frauen zur Gebärmaschinen würden und Technologien assistierter Reproduktion, wie etwa Leihmutterschaft, Ungleichheiten reproduzierten. Sie kritisieren das Outsourcen gesundheitsgefährdender medizinischer Prozeduren in Niedriglohnländer. Die britische Theoretikerin Sophie ­Lewis entwirft in ihrem neuesten Buch »Full Surrogacy Now« einen »Feminismus gegen die Familie«. Auch sie kritisiert die ökonomischen Abhängigkeiten der Leihmütter. Sie produzierten meist unter prekären Bedingungen weit weg von den biologischen Eltern. Lewis stellt sich jedoch vor, wie es wäre, wenn Familien überflüssig wären, weil die Gesellschaft ausreichend Fürsorge und Nähe spendete. Sie schreibt von »Polymutterschaften« und »Schwangerschaftskommunismus«. Ihre Hauptforderung lautet: »Wir müssen Wege finden, um der Exklusivität und Vormachtstellung ›biologischer‹ Eltern im Leben von Kindern entgegenzuwirken.«

Eine Vorstellung, die mit dem israelischen Modell eher nicht vereinbar ist. »Bei dem Gesetz geht es nicht um die Abschaffung der Familie, sondern um das Gegenteil – die Stärkung der heteronormativen Kernfamilie«, sagt Birenbaum-Carmeli.

Dennoch erschüttere das Konzept der Leihmutterschaft die moralischen Annahmen, wonach Fortpflanzung als natürliche Tatsache angesehen werde, die sich auf Liebe, Ehe und Geschlechtsverkehr gründe, schreibt Teman. Leihmutterschaft mache Familie zu einer Angelegenheit von Wahlfreiheit statt von Schicksal.