Erdgas und Solarkraft in der ­israelischen Energiepolitik

Sonne, Erdgas und eine lange Leitung

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Shahar Dolev, Mitgründer und Forschungs­direktor der Nichtregierungsorganisation Israel Energy Forum (IEF), ist wegen der hohen Investitionskosten allerdings skeptisch: »Der Solarturm wird sich nur sehr langsam rentieren.« Mittlerweile bereuten die Verantwortlichen sogar, sich für den Bau der Anlage entschieden zu haben, sagte Dolev im ­Gespräch mit der Jungle World. »Es gibt zudem Kritik, dass er zu hell strahlt und dass Wildtiere von dem Kraftwerk beeinträchtigt werden.« Dolev zufolge werde man in Israel »höchstwahrscheinlich keinen zweiten Turm dieser Art bauen«.

Fossile Gegenwart. Das Kraftwerk Reading am Nordrand Tel Avivs.

Bild:
André Anchuelo

Der gesamte Kraftwerkkomplex in Ashalim soll im Endzustand bis zu 300 Megawatt produzieren und so dazu beitragen, das ehrgeizige Ziel von zehn Prozent Stromanteil aus erneu­erbaren Energien bis 2020 zu erreichen, zu dem sich die israelische Regierung bereits in den nuller Jahren entschieden hatte. Das Problem dabei: Mittlerweile wurden in israelischen Hoheitsgewässern im Mittelmeer riesige Erdgasvorkommen gefunden – das war für Dolev der wirkliche game changer. Mit dem Gas kann beim derzeitigen Stand der Technik deutlich günstigerer Strom produziert werden.

Zunächst begrüßten Umweltschützer die Gasfunde sogar, weil sie das Erdgas als weniger schmutzige Alternative zu Öl und Kohle bewerteten. Viele Besucher der israelischen Metropole Tel Aviv kennen beispielsweise den markanten Turm des Kraftwerks Reading im Norden der Stadt. 2006 musste es nach Klagen wegen der starken Luftverschmutzung durch den verwendeten Energieträger Öl zeitweilig stillgelegt werden, ehe es auf Erdgas umgestellt wurde. Ähnlich lief es in den meisten Kraftwerken, die entlang der israelischen Mittelmeerküste Bevölkerung und Industrie mit Strom versorgen. Damals allerdings importierte Israel etwa 40 Prozent seines Ergasverbrauchs aus Ägypten – eine Quelle, die im Laufe der Zeit immer unsicherer wurde, weil islamistische Milizen wiederholt die über die Sinai-Halbinsel führende Pipeline angegriffen hatten, ehe Ägypten 2012 den Vertrag kündigte. Erst kürzlich einigten sich die Regierungen beider Länder auf eine Entschädigungszahlung in Höhe von 500 Millionen Dollar für die ausgebliebenen Lieferungen an Is­rael.

Wegen der Unwägbarkeiten beim Import und der Vorteile gegenüber Öl und Kohle betrieb beispielsweise auch das IEF eine Kampagne, das eigene Gas nicht zu exportieren, sondern lediglich für den israelischen Bedarf zu verwenden und es im Übrigen für künftige Generationen aufzusparen. Doch Israel tendiert klar dazu, das israelische Erdgas in großem Umfang zu exportieren.