Meir Javedanfar über die Wahlen zur Knesset und den Konflikt mit dem Iran

»Vielleicht gibt es eine dritte Wahl«

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Interview Von

Welche Strategie verfolgt der Iran im Nahen Osten?
Die Strategie der Iraner ist es, so viel Macht wie möglich im Nahen Osten – wie in Syrien, im Libanon und im ­Jemen – zu bekommen, um dort ihren Einfluss zu erhöhen. Dadurch wollen sie ihre Position in der Auseinandersetzung mit den USA und Israel verbessern. Auch beherrschen sie praktisch den Irak. Während des achtjährigen Kriegs gegen den Nachbarstaat konnten sie deren Diktator Saddam Hussein nicht besiegen und das Land nicht in einen schiitischen Staat verwandeln. Doch US-Präsident George W. Bush stürzte den Despoten und erleichterte den Iranern dadurch die Arbeit.

Welche Rolle könnte die EU spielen?
Der Iran vertraut der EU. Die Europäer sollten versuchen, das Atomabkommen am Leben zu erhalten, gleichzeitig ­jedoch sicherstellen, dass das Regime im Iran – insbesondere mit seinem Raketenprogramm – und ihre Stellvertreter den jüdischen Staat nicht weiterhin bedrohen. Die Europäer waren in ­einer guten Situation, weil sie auch ­Israel helfen wollten. Doch als US-Präsident Trump aus dem Abkommen ausstieg, hat er es allen schwerer gemacht, eine diplomatische Lösung in der iranischen Atomfrage zu finden. Auch der Iran denkt darüber nach, aus dem Abkommen auszusteigen, indem er einige seiner Atomaktivitäten verstärkt. Solange Trump sich also aus der Vereinbarung heraushält, können die Europäer nichts tun. Vielleicht können sie weiter an dem Abkommen fest­halten, aber dafür haben sie nicht die finanzielle Stärke. Sie brauchen die USA, um zu den Verhandlungen zurückzukehren.

Donald Trump sagte kürzlich, er sei bereit, sich mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani zu treffen.
Warum nicht? Ich denke, dass das Atomabkommen die Situation verbessert hat. Israel hätte es unterstützen sollen. Keiner der offiziellen strategischen Nuklearexperten Israels hielt das Atomabkommen für schlecht. Vielleicht hätte man eine noch bessere Einigung erzielen können, aber es war auf jeden Fall besser als gar keine. Präsident Trump hätte nicht aus dem Abkommen aussteigen sollen. Es gab keine Grundlage für seine Behauptung, dass die Iraner es verletzten. Er war von Anfang an davon überzeugt, dass es »der schlechteste Deal der Geschichte« sei.


Der iranisch-israelische Wissenschaftler Meir Javeda­nfar lehrt Zeitgenössische Iranische Politik am ­Interdisziplinären Zentrum in Herzliya. Er ist Herausgeber des Blogs »The Iran-Israel Observer«. Die »Jungle World« sprach mit ihm über die anstehenden Neu­wahlen, den Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, dessen Rivalen, den ehemaligen General Benjamin »Benny« Gantz und den Konflikt mit dem Iran.