Lana Del Reys neues Album »Norman Fucking Rockwell«

Lana Del fucking Rey

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Laura Claridge erwähnt in ihrer Biographie über Rockwell, dass es unter amerikanischen Kunststudenten als nerdiges Distinktionsmerkmal gilt, wenn man Rockwell »kapiert« (to get him). Im Mainstream ist er hingegen eine feste Größe: Seinen großen Einfluss auf ihre Filme betonen zwei prominente Besitzer vieler seiner Werke, George Lucas und Steven Spielberg. Letzterer hatte in seinem Film »Empire of the Sun« zum Beispiel eines der bekanntesten Bilder von Rockwell nachgestellt, nämlich »Freedom from Fear«: Zwei Kinder werden von der Mutter vor dem Schlafengehen zugedeckt, während der Mann als Familienoberhaupt daneben über die Zeremonie wacht. Diese allegorische Darstellung uramerikanischer Werte verdeutlicht den Bezug zum christlich-puritanischen Ursprung des Landes. Dass Kanye West jetzt auch eine eigene Kirche gegründet hat, war wohl auch nur eine Frage der Zeit.

Der Fall einstiger Helden wie West wird in einem der besten Songs auf »Norman Fucking Rockwell«, »The Greatest«, mit der Zeile »Kanye West is blonde and gone« souverän abgehandelt. Der Titel bezieht sich auch auf den gleichnamigen Song sowie das Album der mit Del Rey befreundeten Cat Power von 2006, die sich wiederum auf R. Kelly (»The World’s Greatest«) zu beziehen scheint, einen anderen Gefallenen auf dem Schlachtfeld der Alpha-Maleness. Cat Power, die auch als Vorband bei Del Reys Konzert in Berlin 2018 auftrat, war eine der Vorreiterinnen für die Technik der Sängerin, bekannte Songzeilen als Readymade zu arrangieren. In ihrem Lied »Metal Heart« etwa singt Cat Power eine Zeile aus »Amazing Grace«: »I once was lost / But now I’m found.« Überhaupt bilden weibliche Genealogien bei Lana Del Rey eine Art Hintergrundbeleuchtung, so wie die entfernt im Hintergrund brennenden Hollywood Hills auf dem Cover. The culture is lit. Das Neongrün der Jacke, die sie auf dem Cover trägt, ist dezent, aber man fühlt sich doch an die von ihr geschätzte Sängerin Billie Eilish erinnert, die diese Farbe in einer giftigeren Variante für sich und ihre Haare quasi gepachtet hat.

Auf ihrem Instagram-Account empfahl Lana Del Rey vor kurzem Clarissa Pinkola Estés, eine Jungianische Psychoanalytikerin und Autorin. In ihrem Buch »Die Wolfsfrau« wird der Alpha-Female ein Einzelgängertum nahegelegt, damit ihre wilde Kreativität nicht durch gesellschaftliche Vorstellungen von Geschlechterrollen erstickt werde. Deshalb hört es sich nicht traurig an, wenn Del Rey, die am Anfang ihrer Karriere das Gefühl hatte, wegen ihrer hohen Stimme und ihres Aussehens nicht ernst genommen zu werden, und deshalb mit tieferer Stimme zu singen begann, eine Absage an die große romantische Liebe so lapidar formuliert: »Why wait for the best when I could have you.« Die Frau hat ja auch etwas Besseres zu tun, als einem Traumprinzen nachzulaufen. Und am Ende funktioniert es dann so, wie sie auch die Zusammenarbeit mit Antonoff in einem Interview beschrieb: »Es ist ein bißchen wie eine Romanze, wenn es einfach klappt, ohne dass man danach gesucht hat.«

Lana Del Rey: Norman Fucking Rockwell (Interscope)