Bernhard Torsch berichtet über den Stand der Ibiza-Affäre

Watschen und Videos

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Die Strategie der FPÖ, nicht den Inhalt des Videos zu skandalisieren, sondern die Umstände von dessen Zustandekommen, geht auch deswegen teilweise auf, da etliche Medien dabei mitspielen. Schlagzeilen wie »Wer steckt hinter dem Ibiza-Video« oder »Wer lockte Strache in die Falle« waren häufiger zu lesen als solche, die sich auf den skandalösen Inhalt des Videos bezogen. Das machte es der FPÖ leicht, über die sozialen Medien Verschwörungstheorien zu verbreiten und in die in Österreich beliebte Opferrolle zu schlüpfen. Nebenbei versuchten die Freiheitlichen und ihre Sympathisanten vor allem auf Facebook und Twitter, den Skandal herunterzuspielen, indem sie das Grundgefühl vieler rechter Wählerinnen und Wähler bestärken, es seien »eh alle Politiker so«. Offene Bereitschaft zur Korruption sei daher nichts Außergewöhnliches.

Auftrieb bekommen die Freiheitlichen in den letzten Wochen des Wahlkampfs durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien. Die beschloss vor wenigen Tagen, gegen Gudenus und Strache kein Verfahren zu eröffnen, da kein Anfangsverdacht bestehe. Die beiden hätten, so die Argumentation der Staatsanwälte, ­weder Korruption begangen noch eine staatsfeindliche Verbindung gegründet, da sie zum Zeitpunkt der Erstellung des Videos »keine Amtsträger« gewesen seien, also keine Staatsaufträge vergeben konnten. Die bloße Ankündigung, im Falle einer Regierungsbeteiligung korrupt zu sein, sei »nach geltender Gesetzeslage nicht strafbar«, so der Beschluss der Staatsanwaltschaft. Die Strafverfolger ermitteln aber weiter wegen Untreue. Strache hatte sich im ­Video damit gebrüstet, Millionenspenden am Rechnungshof vorbeigeschleust zu haben.
Auch die Nachforschungen in Sachen Casinos Austria laufen weiter. Es besteht der Verdacht, die FPÖ habe dem Glückspielkonzern Novomatic versprochen, diesem im Gegenzug für die Berufung eines FPÖ-Politikers in den Vorstand des Unternehmens Lizenzen für den Casino-Betrieb zu erteilen.

Der frühere Innenminister Herbert Kickl drohte politischen Gegnern mit »einem rechten Haken oder einer Geraden«.

Anfang September ist die Wiener FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel als Rednerin bei einem Fackelmarsch der Identitären in Wien aufgetreten. Was treiben Strache und Gudenus, während ihre Partei immer neue Skandale produziert? Gudenus soll im Wiener Hotel Marriott in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt gewesen sein. Dort soll er sich nach Angaben des Standard mit dem russischen Investor Andrej Kotschetkow getroffen haben, gegen den wegen eines angeblich von ihm erteilten Mordauftrags ermittelt wird. Kotschetkow ist Mehrheitseigner eines burgenländischen Mineralwasserproduzenten, den ein bulgarisches Konsortium übernehmen will. Im Mariott soll Herbert A., ein Vertreter der Bulgaren, an den Tisch getreten sein und Gudenus wegen unüberbrückbarer geschäftlicher Differenzen geohrfeigt haben. Alle Beteiligten bestreiten alles, nur die Ohrfeige nicht.

Strache geht es inzwischen ruhiger an und hält sich, zumindest soweit bekannt ist, von echten oder auch falschen osteuropäischen Oligarchen ebenso fern wie von der Öffentlichkeit. Letzteres nicht ganz freiwillig: Die FPÖ nahm ihm seinen Facebook-Account mit 800 000 Fans weg und entzog ihm die Rechte für die Seite. Er darf zwar noch posten, aber nur, nachdem die Partei das Posting zuvor ab­gesegnet hat. Der nunmehr arbeitslose ehemalige FPÖ-Vorsitzende verbringt viel Zeit mit seiner Ehefrau Philippa Strache, die ihm die Treue hält, obwohl er im Ibiza-Video betont hatte, wie »schoaf« (sexuell attraktiv) er die vermeintliche russische Oligarchen-Nichte finde.