Versucht die EU, den Iran weiter zu beschwichtigen?

Den Kredit verspielt

Nach dem Angriff auf Saudi-Arabien scheinen sich Frankreich, Deutschland und Großbritannien der Iran-Politik der USA anzunähern. Endet der wohlwollende Dialog mit dem Regime der Ayatollahs?
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Neun Tage nach der Bombardierung saudi-arabischer Erdölanlagen, am 23. September, stellten die Regierungen Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens fest, dass »der Iran Verantwortung für diesen Angriff trägt«. Sie erklärten ihre »uneingeschränkte Solidarität« mit Saudi-Arabien, es sei an der Zeit, dass »der Iran Verhandlungen über einen langfristigen Rahmen für sein Atomprogramm akzeptiert, ebenso zu Fragen der regionalen Sicherheit, die sein Raketenprogramm und andere Trägersysteme umfassen«.

Das war eine Kurskorrektur. Bis zu dieser Erklärung hatten die europäischen Regierungen versucht, die Folgen der Sanktionen und der Politik der USA des »maximalen Drucks« für den Iran zu mildern. Das ballistische Raketenprogramm des Iran, dessen ­militärisches Eingreifen in der Region und die schon in wenigen Jahren endenden Beschränkungen des iranischen Atomprogramms wurden dabei weitgehend ignoriert. Nun näherten sich die europäischen Regierungen US-amerikanischen Forderungen an. Hat das iranische Regime den Bogen überspannt?

Schon zuvor hatte das iranische Regime auf den Ausstieg der USA aus dem Nuklearabkommen mit offenen Verstößen gegen seine vertraglichen Verpflichtungen sowie mit militärischen Provokationen in der Region reagiert. Bis zum Sommer ging diese Einschüchterungsstrategie auf. Beim Treffen der G7-Staaten im französischen Biarritz präsentierte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Vorschlag, dem Iran einen Kredit von 15 Milliarden US-Dollar zu gewähren, also eine Art Rettungspaket, das den Ausfall von Einnahmen aus Ölverkäufen aufgrund der US-amerikanischen Sanktionen kompensiert hätte. Die Summe sollte von Deutschland, Frankreich und Großbritannien überwiesen werden. Für diese Idee gewann Macron sogar US-Präsident Donald Trump. Der New York Times zufolge sagte Trump auf dem G7-Gipfel, dass er eine »finanzielle Überbrückung für den Iran« nicht grundsätzlich ablehne. Zwei Wochen später feuerte er seinen als Hardliner geltenden Sicherheitsberater John Bolton und deutete an, er sei zu einem Treffen mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani ohne Vorbedingungen bereit.

Doch auf diese Angebote folgten die Angriffe auf Saudi-Arabien, die erheblich gravierendere ökonomische Folgen hatten als vorherige militärische Provokationen. Vergangene Woche präsentierte Rohani vor der Uno einen »Friedensplan« für die Golfregion, der vor allem darauf zielt, westliche Mächte von der Konfliktlösung in der Region auszuschließen. Rohani machte die Aufhebung der Sanktionen zur Vorbedingung für Verhandlungen mit den USA. Das iranische Regime strebt nach Dominanz in der Region – seine vor der Uno vorgebrachte Abneigung gegen äußere Einmischung ist kein Hindernis für eine Kriegsallianz mit Russland.

Auch wegen dieser Allianz ist ein eindeutiger Kurswechsel der EU wohl nicht zu erwarten. Denn nicht nur der Iran, auch Russland müsste politisch und diplomatisch unter Druck gesetzt werden. Die europäischen Regierungen müssen vor allem eingestehen, dass die Politik des geduldigen Dialogs gescheitert ist und den Iran nicht auf den Weg der Mäßigung und Reform gebracht hat. Weil das unwahrscheinlich ist, steht zu befürchten, dass die EU weiter bei ihrer Politik der Appelle und Zugeständnisse bleibt und dem iranischen Regime de facto freie Hand lässt, seine Aggressionspolitik fortzusetzen.