Zwangsarbeiterlager Tannenberg

Erinnern an das Grauen

In der Lüneburger Heide gerät ein nationalsozialistisches Zwangsarbeitslager immer mehr in Vergessenheit. Eine Initiative will dem entgegenwirken.

Hinter den von Gebüsch überwachsenen Resten einer Mauer beginnt das mit Stacheldraht abgesperrte »Erprobungszentrum Unterlüß« (EZU) in der Lüneburger Heide. »Betreten streng verboten. Lebensgefahr« steht auf Schildern. Dort werden die neuesten Waffen des Rüstungskonzerns Rheinmetall ­getestet. Zu der Mauer gelangt man über das Gelände des ehemaligen Gäste­hauses von Rheinmetall, in dem der Konzern jahrelang Politiker und Wirtschaftsvertreter bewirtete.

Hinter der Mauer befand sich zur Nazizeit das Lager Tannenberg, ein ­Außenlager des KZ Bergen-Belsen. Etwa 900 osteuropäische Jüdinnen waren von Sommer 1944 bis März 1945 in Tannenberg inhaftiert. Täglich mussten sie damals vier Kilometer zur ­Fabrik des Waffenherstellers Rheinmetall marschieren, um dort Zwangs­arbeit zu leisten. Anfang September waren im Zentrum der kleinen ­Gemeinde Unterlüß Plakate mit Fotos von Zeichnungen aufgehängt, die ­Valerie Jakober Furth angefertigt hatte. Sie gehört zu den hierher verschleppten Jüdinnen. Der Weg durch den Ort wurde mit Wimpeln markiert, auf ­denen Namen der Zwangsarbeiterinnen standen.

Es konnte nie geklärt werden, wer für die Verschleppung der Insassinnen des Lagers Tannen­berg ins KZ Bergen-Belsen in den letzten Tagen des NS-Regimes verantwortlich war.

»Es sind nur sehr wenige Namen bekannt«, sagt Claudia Steinle, die diese »Straße der Erinnerung« vorbereitet hat. Die Gedenkaktion fand im Rahmen eines antimilitaristischen Camps unter dem Titel »Rheinmetall entwaffnen« statt, zu dem Antimilitaristen aus der ganzen Republik für eine ­Woche nach Unterlüß gekommen ­waren. Neben der Kritik an den Waffen­exporten von Rheinmetall stand die Zwangsarbeit im Nationalsozialismus im Mittelpunkt des Treffens.

Mehrere der Wimpel mit den Namen waren bald heruntergerissen oder ­beschädigt, die Spuren des antimilitaristischen Camps schnell beseitigt. So verschwanden auch alle Zeugnisse, die an das Lager und die Zwangsarbeit in Unterlüß erinnern sollten. Neben dem improvisierten Gedenkstein am Ort des Lagers und den Wimpeln mit den Namen der Zwangsarbeiterinnen ­wurden auch die Fotos der Zeichnungen von Valerie Jakober Furth entsorgt. Mittlerweile ist Unterlüß wieder frei von jeder Erinnerung an die NS-Zwangsarbeit.