Heiko Maas' Israelpolitik

Apartheid-Siggis eleganter Zwilling

Die Israel-Politik von Bundesaußenminister Heiko Maas unterscheidet sich kaum von der seines »israelkritischen« Vorgängers Sigmar Gabriel. Das sah vor eineinhalb Jahren, zu Beginn von Maas’ Amtszeit, noch anders aus.

Als Heiko Maas (SPD) im März des vergangenen Jahres zum Bundesaußenminister ernannt wurde, war es ihm ein Anliegen, so bald wie möglich nach ­Israel zu reisen. Nicht einmal zwei Wochen nach seinem Amtsantritt traf er dort ein, und der Kontrast zu seinem Vorgänger Sigmar Gabriel war beträchtlich. Anders als sein Parteifreund schwadronierte Maas nicht von »Apartheid« in Hebron und brüskierte die israelische Regierung auch nicht durch Treffen mit fundamentaloppositionellen israelischen Nichtregierungsorga­nisationen (NGOs), die das Herz jedes deutschen »Israelkritikers« höher schlagen lassen. Er traf sich stattdessen mit 30 Shoah-Überlebenden, die von der 1987 in Jerusalem gegründeten Organisation Amcha betreut werden, zu einem vorgezogenen Pessach-Seder und wirkte dabei auf sympathische Weise eher wie ein engagierter Zivildienstleistender der Aktion Sühnezeichen denn wie ein Berufsdiplomat. Seiner so markigen wie markanten Erklärung, er sei »wegen Auschwitz in die Politik gegangen«, schien Maas ehrbare Taten folgen zu lassen.

Längst ist Heiko Maas auf die seit Jahren übliche äquidistante – und das heißt: »israelkritische« – Linie der deutschen Außenpolitik im Nahen Osten eingeschwenkt.

Der Saarländer, zuvor fünf Jahre lang Justizminister in Angela Merkels Kabinett, verzichtete bei dieser Reise auf die bei deutschen Außenministern üblichen Belehrungen zur israelischen Siedlungspolitik, weshalb ihm deutsche Medien bereits eine »entschärfte Rhetorik« vorwarfen. Als Maas neben dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu auch den paläs­tinensischen Präsidenten Mahmud Abbas traf, habe er sich »zugeknöpfter« gezeigt als sein Gegenüber, wie die FAZ notierte. Er habe Abbas nicht, wie es Gabriel getan hatte, einen »Freund« genannt, »sich ungleich schroffer« gegeben und »den Palästinensern keine Liebe« geschenkt, so die FAZ. Auf dem gemeinsamen Foto für die Medien guckte Abbas dann auch eher grimmig. Sollte ein deutscher Außenminister die Solidarität mit Israel tatsächlich ernst meinen?

Rund eineinhalb Jahre später lässt sich dies verneinen. Maas’ Politik ist von der seines Vorgängers kaum mehr zu unterscheiden. Zwar bekräftigte er im Mai aus Anlass des 70. Jahrestags der Aufnahme Israels in die Vereinten Nationen das Merkel’sche Diktum, die historisch begründete Verantwortung Deutschlands für den jüdischen Staat und dessen Sicherheit sei »Teil der deutschen Staatsräson«. Auch sagte er: »Dass Israel heute noch in den Gremien der Vereinten Nationen in unangemessener Form kritisiert, einseitig behandelt und ausgegrenzt wird, besorgt die Bundesregierung sehr.« Deutschland habe »eine feste Zusage gegeben, auch als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen als Freund Israels zu handeln, einer unfairen Behandlung Israels in den Vereinten Nationen entgegenzutreten und Israels legitime Interessen zu unterstützen«.

 

Doch dem stehen Taten entgegen, die diese Beteuerungen als bloße Rhetorik entlarven. Von den 26 Resolutionen, in denen die UN-Generalversammlung im vergangenen Jahr einzelne Länder verurteilte, richteten sich 21 gegen den jüdischen Staat; bei 16 davon stimmte Deutschland zu, bei vier weiteren enthielt es sich. Das heißt: Die Bundesregierung trug ihren Teil dazu bei, dass Israel in und von der Uno in unangemessener Form kritisiert, einseitig behandelt und ausgegrenzt wurde. Zur Begründung sagte Maas, man verfolge die Linie, sich an den Diskussionen über die betreffenden Resolutionsentwürfe bis zum Schluss zu beteiligen, statt sich zurückzuziehen und mit Nein zu stimmen. Auf diese Weise habe man viele Beschlüsse abmildern können.

Wörtlich sagte er: »Anstatt frühzeitig aus der ­Debatte rauszugehen und damit Resolutionstexte zu bekommen, die deutlich schärfer gegen Israel gerichtet sind, wollen wir in den Debatten Einfluss nehmen und dafür sorgen, dass die Texte so ausfallen, dass sie nicht die Schärfe haben, sondern dass Dinge, die dort stehen und die wir nicht mittragen können, auch nicht verabschiedet werden.« Doch auch in ihrer abgeschwächten Form sind diese Resolutionen untragbar, schon weil ihre schiere Zahl – verglichen mit den wenigen Verurteilungen anderer Länder – für eine weitere Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staats sorgt.

»In seiner tiefen Verbundenheit mit dem jüdischen Volk und dem Staat ­Israel wird Deutschland weiterhin seinen Beitrag dazu leisten, Israels Präsenz in den Vereinten Nationen zu stärken«, sagte Maas gleichwohl. Die Aussage muss in den Ohren der meisten Israelis wie Hohn klingen. Kommt es zu einem Anschlag palästinensischer Terroristen gegen Israelis, reagiert das Auswärtige Amt in Erklärungen nicht mit Empathie, sondern ermahnt stets »beide Seiten«, die Zweistaatenlösung nicht zu gefährden. Dem wegen seiner israelfeindlichen Aktivitäten und Korruptionsvorwürfen heftig kritisierten Palästinenserhilfswerk der Uno, der UNRWA, erhöhte die Bundesregierung die Zuschüsse deutlich, nachdem die USA, die Schweiz und weitere Länder ihre Zahlungen storniert hatten.

 

Hinzu kommen weitere Äußerungen und Handlungen deutscher Diplomaten, die Maas’ Beteuerungen als leere Versprechungen erscheinen lassen. Mitte Juli beispielsweise wurde bekannt, dass der offizielle Twitter-Account der diplomatischen Vertretung Deutschlands in den palästinensischen Gebieten eine Reihe israelfeindlicher und antisemitischer Kommentare mit einem »Like« versehen hatte. Gegen den Leiter der Vertretung, Christian Clages, und einen weiteren deutschen Emissär seien »geeignete personelle beziehungsweise disziplinarische Maßnahmen« ergriffen worden, teilte das Außenministerium mit, ohne ins Detail zu gehen. Bereits im Februar hatte Niels Annen, parlamentarischer Staatssekretär in Maas‘ Ministerium, in der iranischen Botschaft in Berlin an den Feierlichkeiten des islamistischen Regimes zum 40. Jahrestag von dessen Machtübernahme teilgenommen und auf die Kritik daran lapidar erwidert, man brauche das »Offenhalten von Dia­logmöglichkeiten mit Teheran«.

Auch die libanesische Terrororganisation Hizbollah, die sich wie der Iran die Vernichtung Israels auf die Fahnen geschrieben hat, solle von Gesprächen nicht ausgeschlossen werden, sagte Annen im März, schließlich sei sie »ein relevanter gesellschaftlicher Faktor« und ein »Teil der komplexen innenpolitischen Lage im Libanon«. Darüber ­hinaus machte er im Juni der palästinensischen NGO al-Haq, die zu den führenden Organisationen der antisemitischen BDS-Bewegung gehört, die Aufwartung. Bei den Gesprächen versicherte er, der im Mai verabschiedete Anti-BDS-Beschluss des Bundestags werde nicht zu einem Ende der deutschen Unterstützung für Organisationen wie al-Haq führen.

Längst ist Maas auf die seit Jahren übliche äquidistante – und das heißt: »israelkritische« – Linie der deutschen Außenpolitik im Nahen Osten eingeschwenkt, sei es, weil es ihm innerhalb der Regierung verordnet wurde, sei es aus eigener Überzeugung. Seine Erklärung, »wegen Auschwitz in die Politik gegangen« zu sein, ist der Lächerlichkeit preisgegeben; seine in Feiertagsreden geäußerte Sorge um den jüdischen Staat und seine Versicherung, »als Freund Israels zu handeln«, erweisen sich als Floskeln.

Der 53jährige, der so viel Wert auf Stil und elegante Kleidung legt, mag zwar zurückhaltender auftreten als Sigmar Gabriel, in der Sache aber trennt die beiden nichts Wesentliches. Die von der Bundesregierung versprochene Solidarität mit Israel bleibt lediglich ein folgenloses Lippenbekenntnis.