Schulen in sozialen Brennpunkten

Das Problem heißt Rassismus

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Das Problem der Nichtanmeldungen an der Einzugsschule wird jedoch mit rassistischen Untertönen diskutiert. Im August gab der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann der Rheinischen Post ein Interview, in dem er verkündete: »Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen.« Im selben Text schwadroniert er über Parallelgesellschaften und Stress in Freibädern, womit er verschiedene ­Projektionen der rassistischen deutschen Mehrheitsgesellschaft auf türkisch- und arabischstämmige Kinder und Jugendliche zusammenmengt. Er zog mit diesen Aussagen den Zorn vieler Menschen auf sich, die auf Twitter und Facebook erzählten, wie sie als Kinder in der Schule Deutsch gelernt ­haben.

Wütend wurden auch so manche Neuköllner Eltern, als sie im vergangenen Sommer in der Bild-Zeitung lasen: »Berliner Rektorin klagt: Nur eins von 103 Kindern spricht zu Hause Deutsch«. Jeden Sommer zum Schulanfang wird die Gefahr beschworen, die angeblich von Schülerinnen und Schülern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, ausgeht, und im Stil Sarrazins wird sie immer wieder als Chiffre für rassistische Abwertung benutzt. Zumindest implizit wird deutlich gemacht, dass es vor allem um Türkisch und Arabisch geht – wenn zu Hause Englisch gesprochen wird, gilt dies nicht als Problem.

Kinder, die eine andere Sprache bereits gut sprechen, erreichen im Grundschulalter schnell ein vergleichbares Niveau im Deutschen – wenn sie entsprechend gefördert werden. Doch in Deutschland stellt man sich Schulen offenbar immer noch als Orte vor, für die bestimmte Zugangsvoraussetzungen gelten, nicht als solche, in denen die Folgen sozialer Benachteiligung durch Förderung kompensiert werden.  Mehr als in anderen Ländern hängt der schulische Erfolg der Kinder hierzulande von der Herkunft und dem Bildungsniveau der Eltern ab.

Erziehung erfordert auch emotionale Bindung, Achtung, Respekt und ein Interesse für die Lebensumstände. Das aber können viele Lehrkräfte nicht leisten, zweifellos auch, weil sie heillos überfordert und überarbeitet sind.

Das Problem heißt also auch Rassismus. Es ist aber nicht in erster Linie der Rassismus jener, die wegziehen oder ihr Kind auf Privatschulen schicken. Es ist vor allem der institutionelle Rassismus, der Schülerinnen und Schüler nach ihrer Herkunft markiert.