Das Debutalbum der Band Automatic

Raus aus dem Kopf

Automatic geben der Desillusionierung einen zackigen Klang.

Wenn etwas automatisch ist, dann läuft es von selbst. Genau das kann man von der Musik der Band Automatic behaupten. Schnörkellos und unbeirrt klackern die Drums von Lola Dompé, piepst der Synthesizer von Izzy Glaudini und brummt der Bass von Halle Saxon. Das Trio aus Los Angeles, das gerade sein erstes Album »Signal« veröffentlicht hat, spielt einen eher selten gewordenen (oder, wie es Halle Saxon im Interview mit der Jungle World formuliert: schwerer zu findenden) Post-Punk, der nicht auf Virtuosität zielt, sondern auf Effekt.

Angefangen hatte Izzy Glaudini in der Band an der Gitarre, den sie aber bald gegen einen Prophet-Synthesizer austauschte, den sie glücklicherweise, beeinflusst von Geza X, Suicide und New Order, in guter New-Wave-Tradition wie eine Gitarre spielt. Sie lacht: »Es ist härter, mit der Gitarre etwas Originelles zu entwickeln. Synthesizer hingegen spielen sich im Grunde wie von selbst.«

Veröffentlicht wurde das Album bei einem der derzeit interessantesten Indie-Labels, nämlich bei Stones Throw aus Los Angeles. Eigentlich spezialisiert auf unkonventionellen Funk und HipHop (Aloe Blacc, Mad­villain, J Dilla), veröffentlicht das Label auch immer wieder Post-Punk-Alben, wie beispielsweise das Debütalbum von Anika oder den Synthesizer-Punk von Vex Ruffin. Das perfekte musikalische Zuhause für die Band also, denn während das Düstere ihrer Musik stark an die deutschen No-Wave-Vorreiterinnen um Gudrun Gut, die Band Malaria erinnert, denkt man beim Hören von Automatic gleich auch an ein weibliches Trio aus den frühen Achtzigern, an ESG. Die etwas vergessene Band aus Brooklyn veröffentlichte 1983 ihr Album »Come Away with ESG«, deren Songs nicht nur für Punkerinnen wie Kathleen Hanna prägend waren, sondern auch mit zu den meistgesampleten der Musikgeschichte gehören, und zwar zu gleichen Teilen von HipHop- wie von House-Musikern. Lola Dompé resümiert: »Ich mag, dass Stones ­Throw alle möglichen Genres zu entdecken scheint. Und ich mag die Idee, dass Automatic keinem bestimmten Genre zugerechnet werden kann.«

Ein Teil des New Wave war gekennzeichnet von einem Fortschrittsglauben in der Musik, der in starkem Kontrast stand mit dem Pessimismus, den die Bands beim Blick in die Zukunft oder schon auf die Gegenwart empfanden. Da sei vor allem Devo genannt, die ihre Idee der »de-evolution« schon im Bandnamen trugen. In Deutschland ging es ähnlich ironisch zu: FSK sagten Ja zur »Modernen Welt« und SYPH wollten »Zurück zum Beton« statt zurück zur Natur. Diese Spannung lässt sich auch noch 40 Jahre später bei Automatic finden, die ihre Instrumente fix und wie scheinbar programmiert spielen, deren Musikvideos aber ­allesamt aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen und teilweise aussehen, als seien sie auf Zelluloid gedreht worden. Nostalgie: eher nicht. Aber, wie Saxon das Verhältnis der Band zur Vergangenheit sim­pel zusammenfasst: »Man kann nicht etwas Neues aus gar nichts erschaffen.«

Im Video zu »Too Much Money« folgt man einer Punkerin mit nietenbesetzter Lederjacke, die mit einer Polaroidkamera hantiert, durch Los Angeles, in »Strange Conversation« findet man sich in einer wie von David Lynch erdachten Bar wieder und im Video zu »Calling It« wird Metall gegossen, allerdings nicht von Maschinen, sondern von der Band selbst, während der Synthesizer im Hintergrund zischt, als würde gera­de eine Rakete in den Weltraum starten. Beim Lied »Signal« wird die Opposition zum Alltagsleben sehr deutlich: »Going left or going right you can’t decide/To slave away another day from 9 to 5/Oh look at me, machinery of modern life/Turn off and on it’s not enough to be alive.« So viel Konkretion findet man in den Texten der Band nur selten, die sich sonst durch Subtilität und Abstraktion auszeichnen, zusammen mit dem Sound der ­Instrumente aber ein gespenstisches Gefühl der Entfremdung, oder besser: der Desillusion auslösen. »Unaufrichtig« nennt Glaudini es im Interview, wenn politische Positionen in Musik zu künstlich und gewollt zur Schau gestellt werden. Natürlich aber zehrt und reagiert das Album von und auf eine kulturelle wie politische Ausgangslage, die »scary ass world«, wie Saxon sie nennt. Doch manchmal will man einfach nur aus seinem Kopf heraus. Und dafür eignet sich kaum eine Musik derzeit besser als die von Automatic.

Automatic: Signal (Stones ­Throw)