Sammelband »Kein schöner Land«

Butler und Brando im Bootcamp

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Derzeit diskutieren jüngere Publizisten, nach gefühlt zwanzig Debatten über germanische Leitkultur, erneut über die deutschen Zustände. Nach »Eure Heimat ist unser Albtraum« ist der Sammelband »Kein schöner Land« erschienen. Alptraum dort, kein schöner Land hier – eine bewusste Gegenthese? Der Untertitel verspricht einen »Angriff der Acht auf die deutsche Gegenwart«. Den Titel schmückt der deutscheste aller Berge, der Watzmann, in der Darstellung von Caspar David Friedrich. Das stinkt geradezu nach einer schalen Wiederaufbereitung der deutschen Romantik. Oder ist es nur ironisch gemeint? Acht Autorinnen und Autoren von Anfang bis Mitte 30 sind es, die sich unterschiedliche Themen vornehmen. Leander Steinkopf schreibt über Essen, Quynh Tran über Mode, Simon Strauß über Theater, Katharina Hermann über Literatur, Lukas Haffert über Politik, Annekathrin Kohout über Kunst, Daniel Gerhardt über Popmusik und Noemi Schneider über Film und Fernsehen. Ökonomie bleibt ausgespart, es soll die Kulturnation Deutschland auf den Prüfstand gestellt werden.

Was an der deutschen Gegenwart besonders verachtenswert sein soll? Beim Essen und Trinken sind es Billigschaumwein, Vollautomatenkaffee und Couscous-Salat; Mettigel und Jägerschnitzel sind hingegen toll. In solch willkürlicher Wertung geht die durchaus treffende Beobachtung, dass es in Deutschland statt Kochkunst nur Ernährungswissenschaft gibt, nahezu unter. Und das Jägerschnitzel? »Ein Ideal für die Deutschen und die Rolle Deutschlands in der Welt: Man isst still sein Jägerschnitzel, ist glücklich mit sich und lässt die anderen in Ruhe.« Verhungern oder ertrinken zum Beispiel. Auf ein solches Schnitzel, an dem Volk und Welt genesen soll, verzichtet man wohl besser. Man muss ja nicht gleich zum Couscous-Salat greifen.

In der Mode wird die deutsche Verachtung der schönen Verhüllung und die Vorliebe fürs Praktische angeführt, nur um dann aber die Klage anzustimmen, dass die hiesige Textilindustrie im Weltmaßstab wirtschaftlich hinterherhinke und dies trotz des großen Potentials zur Volkseinkleidung. Doch es gibt noch Hoffnung. »Die jüngsten Entwicklungen, auch durch Globalisierung und Migration geprägt, bewirken vielleicht endlich mal eine positive (ästhetische) Aufrüttlung, die Deutschland hilft, aus dem selbstgewählten Versteck herauszukommen, einen roten Faden zu finden und selbst am Stoff der deutschen Gesellschaft mit all ihren alten und neuen Facetten zu weben.« Mode, um Deutschland aus dem selbstgewählten Versteck zu helfen? Man beginnt fast, den modischen Sonderweg Berlins liebzugewinnen.