Fünf Jahre Pegida

Aufstand der Hutbürger

Seit fünf Jahren marschieren in Dresden nahezu wöchentlich Pegida-Anhänger auf. Politik und Medien haben die rassistische Bewegung salonfähig gemacht.

Lutz Bachmann wirkte zufrieden. Nach der Kundgebung zum Geburtstag seiner Bewegung »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«, kurz Pegida, am vergangenen Sonntag posierte er für die anwesenden Fotografen mit dem Daumen nach oben. Fünf Jahre gibt es Pegida bereits. Der unter anderem wegen Einbruchs und Volksverhetzung vorbestrafte Bachmann hatte am 11. Oktober 2014 eine Facebook-Gruppe gegründet. ­Daraus entwickelte sich ein »Abend­spaziergang«, der dann mit Demons­trationen und Kundgebungen weitergeführt wurde. Unter der Bezeichnung Pegida versammelten sich in den Hochzeiten bis zu 25 000 Menschen.

Ein Pegida-Demonstrant fragte auf einem Plakat, wann Bundeskanzlerin Angela Merkel »endgültig entsorgt« werde. 

Zum fünfjährigen Jubiläum erschienen neben extrem rechter Prominenz wie dem Anführer der österreichischen »Identitären Bewegung«, Martin Sellner, dem AfD-Bundestagsabge­ordneten Jens Maier und dem Münchner Funktionär Michael Stürzenberger etwa 3 000 »besorgte Bürger«. Die Dresdner Pegida-Bewegung prägt seit fünf Jahren den Ruf der Stadt als Hochburg der extremen Rechten und ist, trotz einstmals zahlreicher Ableger in anderen Städten, die einzige Gruppe der Bewegung, die noch eine nennenswerte Anzahl von Demonstranten auf die Straße bringt.

»Pegida konnte nur in Dresden funktionieren. Es wundert uns überhaupt nicht, dass sich das hier fünf Jahre lang gehalten hat«, sagt Ute* im Gespräch mit der Jungle World. Sie und ihre Freunde Ralf* und Anton* gehören zur »Undogmatischen Radikalen Antifa Dresden«. Am wöchentlichen Protest gegen Pegida beteiligen sie sich nach eigenen Angaben nicht, das haben sie schon im ersten Jahr aufgegeben. Anfangs hatten sie ihn noch mitorganisiert, dann stellte sich schnell Frustration ein.

»Wir haben versucht, das Konzept ›erklären, demaskieren und blockieren‹ durchzuziehen. Wir haben Artikel und Pressemitteilungen geschrieben, aber das hat niemanden interessiert«, erzählt Ute. Die Öffentlichkeit sei zu sehr bemüht gewesen, in Pegida die »Wutbürger« zu sehen und nicht die »Nazis und Rassisten, die sie tatsächlich sind«. Anton kritisiert auch die Rolle vieler Medien in der Anfangszeit von Pegida: »In Interviews wurden die Teilnehmer von Pegida immer wieder in ein bürgerliches Licht gerückt. Beim Gegenprotest ist das hingegen nie passiert. Es ist nie jemand gekommen und hat mal gefragt, warum wir gegen Pegida auf die Straße gehen.«

 

Pegida hingegen durfte 2015 in der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung eine Pressekonferenz abhalten. Die damalige Pegida-Mitorganisatorin Kathrin Oertel wurde sogar in Günther Jauchs Talkshow in der ARD eingeladen. Auch ein Treffen der Pegida-Führung mit dem damaligen sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU) fand 2015 statt. Nach Einschätzung der Dresdner Antifaschistinnen und Antifaschisten trug das zur Normalisierung der Bewegung bei. »Für viele Leute war Pegida einfach kein Problem«, so Anton. Während in der Politik noch davon gesprochen worden sei, die Ängste und Sorgen der Pegida-Anhänger ernst zu nehmen, sei längst klar gewesen, wer bei den Demonstrationen mitlaufe. »Pegida wurde auch zum Vernetzen von einschlägigen rechten Gruppen genutzt. Hier trafen sich Mitglieder der Freien Kameradschaft Dresden und der Gruppe Freital«, sagt Ralf. Es handelt sich um Gruppen, die sich unter anderem an dem gewalttätigen Überfall auf den alternativ geprägten Leipziger Stadtteil Connewitz, an Ausschreitungen vor Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete und an Sprengstoffanschlägen beteiligten.

Den wöchentlichen Gegenprotest gaben die drei Dresdner Antifaschisten bald auf. »Wir haben einfach keinen Sinn mehr darin gesehen, jede Woche hinter Pegida herzurennen. Pegida ist nicht die Ursache für die Verhältnisse hier, sondern ein Symptom«, so Ute. »Das fängt bei einer Zivilgesellschaft an, die in Sachsen sehr konservativ bis rechtskonservativ ist.« Der wöchent­liche Protest sei sehr frustrierend gewesen und habe jegliche Ressourcen geraubt. Dazu sei noch das harte Vorgehen der Polizei gekommen. Irgendwann hätten die Antifaschisten sich dann nicht mehr an den Protesten beteiligt. Es sei ihnen wichtiger gewesen, eigene Themen zu setzen, erläutert Ute: »Antifa-Arbeit ist zu großen Teilen natürlich ein Abwehrkampf, aber auch das hat sich weiterentwickelt. Es geht nicht mehr nur darum, gegen Nazis zu protestieren, sondern auch darum, sich inhaltlich zu diversifizieren. Auch Feminismus und Ökologie sind gerade heute sehr wichtige Themengebiete.«

Es gibt allerdings auch antifaschistische Gruppen, die sich noch am wöchentlichen Protest beteiligen. Zu einer gehört Steffi Brachtel vom Bündnis »Nationalismus raus aus den Köpfen«. Sie sagte der Jungle World: »Es ist einfach nur ermüdend, wenn man sich fünf Jahre Woche für Woche immer wieder diesem Scheiß entgegenstellt und dafür angefeindet wird.« Die ­Protestierenden würden beleidigt und angepöbelt, Unterstützung bekämen sie nicht: »Wir hatten in diesen fünf Jahren immer das Gefühl, dass wir der Störfaktor sind. Das ist das, was uns durch die Passanten und auch seitens der Versammlungsbehörde gezeigt wurde: ›Ihr seid die, die hier stören, und Pegida geht schon wieder weg.‹ Aber Pegida ist eben nicht weggegangen.« Brachtel kritisiert, dass viele nichtrechte Dresdner sich in den vergangenen fünf Jahren nicht an den Protesten beteiligt hätten: »Wir haben hier eine sächsische Behäbigkeit – die aber eigentlich eine Feigheit ist – der Zivilgesellschaft. Auch ein Oberbürgermeister, der das Problem mit Pegida jahrelang negiert hat, ist ein Teil dieser Zustände.«

 

Für eine Rede auf der Protestkundgebung des Bündnisses »Herz statt Hetze« am Sonntag unterbrach der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) seinen Urlaub. Es sei wichtig, dass Dresden an einem solchen Tag Gesicht zeige, in einer Zeit, in der Tendenzen zu einer Enthemmung in der Gesellschaft zunähmen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. »Fünf Jahre zu spät«, findet Brachtel. »Wir hätten uns das früher und konsequenter gewünscht. In Leipzig hat der Oberbürgermeister den Gegenprotest von Anfang an unterstützt.«

An den verschiedenen Gegenprotesten in Dresden beteiligten sich dieses Mal mehrere Tausend Menschen. Etwa 2 000 zogen unter dem Motto »Gemeinsam gegen den Rechtsruck in Europa« von der Dresdner Neustadt zum Neumarkt. Neben den üblichen antifaschistischen Fahnen waren auch zahlreiche Fahnen der kurdischen Miliz YPG zu sehen, auf einem Transparent wurde der Angriffskrieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdo­ğan gegen die Kurden in Nordsyrien verurteilt. Am Neumarkt versuchten die Gegendemonstrantinnen und -demonstranten, die Pegida-Redner zu übertönen, die sich in Hör- und Sichtweite befanden. Ein rechtsextremer Demonstrant fragte auf einem Plakat, wann Angela Merkel »endgültig entsorgt« werde. Im Schutz einer großen Deutschlandfahne warfen Pegida-­Anhänger zweimal eine übelriechende Flüssigkeit in Richtung der Gegenkundgebung. »Kriminalisten sicherten die Spuren und leiteten Ermittlungsverfahren wegen versuchten gefährlichen Körperverletzungen ein«, hieß es im Bericht der Polizei, die gleichwohl behauptete, alle Versammlungen seien friedlich verlaufen.

Pegida marschiert zwar längst nicht mehr mit Zehntausenden durch Dresden, dennoch handelt es sich bei den nahezu wöchentlich stattfindenden Aufzügen weiterhin um die größte regelmäßige extrem rechte Demonstra­tion in Deutschland. Für Steffi Brachtel ist klar, was das bedeutet: »Wir werden auch weiterhin jede Woche auf die Straße gehen. Uns bleibt gar nichts anderes übrig.«

* Name von der Redaktion geändert.