Massenproteste In Katalonien

Das Wasser brodelt

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Außer dem Flughafen blockierten Protestierende auch Autobahnen, Bahnhöfe und zentrale Straßen in Barcelona, obwohl die Polizei auf Protestierende einschlug und Gummigeschosse einsetzte. »Wir ergreifen die Initiative, unsere Werkzeuge sind Gewaltfreiheit und ziviler Ungehorsam«, heißt es auf der Website tsunamidemocratic.cat. In Spanien wurde die Seite gesperrt. Kopfzerbrechen bereitet der Polizei die zugehörige App. Diese lässt sich zwar auf der Website herunterladen, funktioniert aber nur über einen QR-Code, der unter der Hand weitergegeben wird. Um die App zu aktivieren, ist eine Empfehlung durch andere User nötig. Jeden Tag kommt es zu Blockaden an unerwarteten Orten.

Nacht für Nacht brennen zudem Barrikaden. Große rollbare Müllcontainer aus Plastik werden dazu in Barcelona auf Straßenkreuzungen geschoben und angezündet. Die Polizei redet von straff organisierten militanten Gruppen, doch es sieht eher so aus, als seien viele Menschen einfach wütend wegen der ungerechten Urteile, der Kontrollen und Gewalt seitens der Polizei sowie der Gegendemonstrationen spanischer Neonazis, die unter den Augen der Polizei den Hitlergruß zeigen und Naziparolen brüllen.

Die staatliche Repression lässt die Sympathie für den katalanischen Separatismus wachsen. Am 26. Oktober soll es in Barcelona eine Großdemonstration gegen die Urteile geben. Bereits beim Abschluss der dreitägigen »Sternmärsche der Freiheit« am Freitag vergangener Woche, zu dem über eine halbe Million Menschen kamen, nahmen neben Unabhängigkeitsbefürwortern auch viele teil, die empört sind über die Verletzung demokratischer Rechte. In einer Woche gab es über 750 Festnahmen, von über 600 zivilen und 288 uniformierten Verletzten ist die Rede.

Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) reiste am Montag nach Barcelona, um im Hospital Sant Pau verletzte Po­lizisten zu besuchen. Das Krankenhauspersonal buhte ihn aus, als er das Gebäude verließ, ohne dort ebenfalls behandelte verletzte Demonstrierende zu besuchen, darunter eine 16jäh­rige, die mit einem Schädel-Hirn-Trauma im Koma liegt. Dem katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra warf Sánchez vor, die Polizei im Stich gelassen zu haben, obwohl es dessen Aufgabe sei, in Katalonien für ­öffentliche Sicherheit zu sorgen. Torra wiederum wirft Sánchez vor, einen ­Dialog abzulehnen. Er sei bei seinen Versuchen, mit dem Ministerpräsidenten zu sprechen, mehrmals abgewiesen worden.