Besetzung der US-Botschaft in Teheran

Gefangen im Spionagenest

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Laut den zur Verfügung stehenden Quellen war die Botschaftsbesetzung eine eigenständige Tat islamistischer Studierender, die annehmen konnten, in Khomeinis Sinn zu handeln. Einer ihrer Anführer, der von der Besetzung ursprünglich abgeraten haben soll, war angeblich der spätere iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad, für dessen Beteiligung an der Besetzung allerdings nur Mutmaßungen ehemaliger Geiseln und unscharfe Fotos sprechen. Ahmadinejad war jedenfalls Repräsentant einer Generation extrem religiöser Iranerinnen und Iraner, deren Karriere- und Lebenswege von der Botschaftsbesetzung entscheidend geprägt wurden. Wer von ihnen nicht bald darauf im iranisch-irakischen Krieg voller apokalyptisch-eschatologischer Begeisterung umkam oder später in Opposition zum neuen Machtapparat geriet, wie einige der Botschaftsbesetzer, machte eben im revolutionären Establishment Karriere.

Das Pokern mit Staatsgeiseln ging in das feste Instrumentarium der Außenbeziehungen der Islamischen Republik ein.

Ob Khomeini von dem Plan zur Botschaftsbesetzung wusste oder sie gar in Auftrag gegeben hat, ist nicht belegt. Er musste die Besetzung aber auch gar nicht anordnen. So wie die fanatischen Religiösen willig seinen kryptischen Äußerungen folgten, nährte sich seine Aura der Unerbittlichkeit von ­ihren revolutionären Taten. Und ein Vorgehen gegen die von der Regierung unter Ministerpräsident Mehdi Bazargan verfolgte Politik eines vorsichtigen Ausgleichs mit den USA lag in der Luft. Die religiösen Studentinnen und Studenten waren Khomeinis Sturmabteilungen. Ihr Zielobjekt, die US-amerikanische Botschaft, versprach zudem einen erfolgreichen Einbruch in den linken Revolutionskosmos. Demonstrationen vor der Botschaft waren das Terrain der Linken, der Kampf gegen »den Imperialismus« deren wichtigstes Zauberwort zur Massenmobilisierung.

Bereits im Februar 1979 war es zu einer kurzzeitigen Besetzung der Botschaft durch bewaffnete Linke gekommen, die allerdings von der nationalistischen Regierung mit Unterstützung Khomeinis umstandslos innerhalb weniger Stunden beendet wurde. Auch ein halbes Jahr später rechneten die Botschaftsbesetzer damit, dass ihre Aktion womöglich nur ein paar Stunden dauern würde. Dass daraus 444 Tage wurden, lag vielleicht einfach am Medium Fernsehen. Dem Vernehmen nach soll sich Khomeini spontan eher ungehalten über die selbsternannten »Studierenden von der Linie des Imam« gezeigt und der alarmierten Regierung signalisiert haben, einer sofortigen Beendigung der Besetzung zuzustimmen – bis er die Fernsehbilder der spontanen Demonstrationen vor der Botschaft sah. Umgehend dürfte der Revolutionsführer begriffen haben, welche Möglichkeiten sich da boten.