Gedenksteinlegung für die NSU-Opfer

Gedenken für die Mülltonne

Die Gedenksteinlegung für die Ermordeten des NSU am Sonntag in Zwickau zeigte vor allem, was man beim Gedenken an Opfer rassistischen Terrors besser machen oder lieber lassen sollte.
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Sie war größtenteils schwer zu ertragen, die offizielle Gedenkstein­legung für die vom NSU Ermordeten in Zwickau: Reden, in denen weder die Namen der Ermordeten fielen noch das Wort Rassismus erwähnt wurde, dafür aber auffällig häufig von »Extremismus« die Rede war, mit Weihwasser geweihte Gedenksteine für nichtchristliche Opfer und am Ende ein gewaltsamer Polizeieinsatz gegen eine Anti­faschistin, die von einem von der AfD hinterlegten Kranz die Schleife mit dem Parteinamen entfernt haben soll. Da rettete auch der eine oder andere bessere Beitrag, etwa die Rede der thüringischen Landtagsabgeordneten Dorothea Marx (SPD), am Ende wenig.

Am 3. November, einen Tag vor dem Jahrestag der Selbstenttarnung des neonazistischen Terrornetzwerks, hatten sich unter der Leitung der Zwickauer Oberbürgermeisterin Pia Findeiß (SPD) etwa 450 Menschen eingefunden, davon waren gut ein Drittel Teilnehmerinnen und Teilnehmer des am Vortag im benachbarten Chemnitz abgehaltenen dritten Tribunals »NSU-Komplex auflösen«. Deren Anwesenheit trug entscheidend dazu bei, dass die Veranstaltung nachträglich noch so etwas wie Würde erhielt.

»Ich bin traurig«, sagte Mitat Özdemir von der Kölner Initiative Herkesin Meydanı, der spontan als letzter Redner das Mikrophon ergriff. Er habe einen Kranz gesehen, auf dem die Namen der Ermordeten falsch geschrieben seien. Von deren Angehörigen und den Opfern der Bombenanschläge des NSU sei niemand anwesend. Man sei mit der Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer des NSU, Barbara John, in Kontakt gewesen, sagte Findeiß später der ARD. Wann genau die Stadtverwaltung John kontaktiert hat, erfuhr man nicht. Auch auf mindestens einem Gedenkstein, dem des vom NSU am 11. September 2000 in Nürnberg ermordeten ­Enver Şimşek, war der Name ohne die türkischen Sonderzeichen geschrieben. Auch die sonstige Gestaltung der Gedenktafeln fiel grotesk aus: Neben dem Namen, dem Alter und dem Todestag der Ermordeten erfuhr man, mit wie vielen Schüssen sie zu Tode kamen, bei einigen las man darunter die Namen der Spenderinnen und Spender, die den Stein gestiftet hatten. Es bedarf schon etwas Phantasie, um sich vorzustellen, wie diese Tafeln hätten noch geschmackloser gestaltet werden können.

Özdemir und die Anwesenden vom NSU-Tribunal bildeten nach der reichlich verpatzten Veranstaltung einen Kreis, in dem sie die Namen der Ermordeten laut ausriefen. Zuvor war es anlässlich der versuchten Festnahme einer Antifaschistin durch die Besatzung eines anwesenden Mannschaftswagens der Polizei zu einem Tumult gekommen, von dem auch in überregionalen Nachrichten die Rede war. Die Polizisten waren am Ende gezwungen, die Frau ohne die beabsichtigte Personalienfeststellung freizulassen. Die Schriftstellerin Esther Dischereit, die ebenfalls die Veranstaltung besucht hatte, nannte die Kranzniederlegung durch die AfD eine »Verhöhnung der Betroffenen«; diese hätten den Kranz sicherlich als Pro­vokation empfunden und seine Entfernung verlangt. Der Kranz, den die AfD bereits am Tag vor der Einweihung am Gedenkort hinterlegt hatte, landete nach dem Polizeieinsatz in einem Mülleimer. Auch dies lässt sich als Teil einer würdigen und angemessenen Gedenkkultur begreifen – in dieser Hinsicht können die Zwickauer Behörden sicher noch einiges lernen.