Ein neues Gesetz zum Umgang mit Patientendaten verstößt gegen den Datenschutz

Der gläserne Patient

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Die Versicherten können die Speicherung ihrer Daten lediglich vermeiden, indem sie nicht zum Arzt gehen – oder die Rechnung privat begleichen. Denn gespeichert werden in der Datenbank ausschließlich die Gesundheitsdaten der gesetzlich Versicherten. Die Daten der knapp neun Millionen Privatpatientinnen und -patienten werden nicht gesammelt. Das bedeutet nicht nur Zweiklassenmedizin auch auf der ­Datenschutzebene, sondern führt zugleich die zentrale Idee einer solchen Datenbank ad absurdum: Schließlich werden die anhand der Daten gewonnen Erkenntnisse verfälscht, wenn Millionen Privatpatienten fehlen, die durchschnittlich wohlhabender sind als gesetzlich Versicherte und meist auch eine höhere Lebenserwartung sowie andere Krankengeschichten haben.

Dass es sich bei der Einrichtung der Datenbank um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff handelt, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zustande kam: 1983 verbot das Bundesverfassungsgericht eine Volkszählung, bei der demographische Daten aller Menschen in der Bundesrepublik Deutschland erfasst werden sollten. Seither gab es einige Gesetzesvorhaben, die vom Verfassungsgericht kassiert wurden, etwa die Vorratsdatenspeicherung, bei der für Zwecke der Verbrechensbekämpfung für einige Monate festgehalten werden sollte, wer wann mit wem im Internet oder telefonisch kommuniziert hat. 2010 urteilte das Bundesverfassungsgericht, die anlasslose Speicherung aller Kommuni­kationsdaten verstoße gegen Grundrechte und sei nur innerhalb eines sehr strengen Rahmens möglich. Im Einzelfall müsse ein Richter entscheiden, ob Ermittlungsbehörden diese Daten abrufen dürfen. Verglichen mit der dauerhaften Speicherung von Gesundheitsdaten, die das DVG vorsieht, wäre dieser Grundrechtseingriff weniger gravierend gewesen.

Das DGV wurde schnell beschlossen. Die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag fand nur knapp anderthalb Monate vor dessen Verabschiedung mit den Stimmen der Regierungsparteien statt. FDP und AfD enthielten sich, Grüne und Linkspartei stimmten gegen das Gesetz. Der Bundesrat muss dem DGV nicht zustimmen. Das Gesetz tritt am 1. Januar in Kraft. Wahrscheinlich wird auch das DGV irgendwann vom Bundesverfassungsgericht behandelt werden. Bis dahin dürfte es aber noch einige Jahre dauern.