Der nahe Osten – Kolumne über die sächsischen Verhältnisse

Sächsischer Heimatschutz

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Was alltägliche Gewaltdrohung ist und von wem sie ausgeht, weiß wohl jeder Nichtweiße in Wurzen besser als Polizisten und Bau­unternehmer in Leipzig. Aber das hat die Verantwortlichen der sächsischen Verhältnisse noch nie interessiert. So verkündeten Innenminister Roland Wöller und Justizminister Sebastian Gemkow (beide CDU) drei Tage nach dem Angriff die Einrichtung einer »Soko LinX« sowie ein Kopfgeld von 100 000 Euro für die Ergreifung der Täter. Grüne und SPD, die zumindest formal an der amtierenden Landesregierung beteiligt ist, zeigten sich empört über das unabgesprochene Vorgehen der CDU-Minister. Als erste Sofortmaßnahme der Politik gegen Linke wurde unter Polizeischutz das Kiezwahrzeichen von Connewitz, eine große »Antifa Area«-Wandmalerei, grau übermalt. Gemkow, der gerade auch für das Amt des Oberbürgermeisters von Leipzig kandidiert, sucht offenbar Streit.

Die Opfer des antisemitischen und rassistischen Anschlags in Halle sind gerade erst beerdigt, da wird 40 Kilometer entfernt dem »Linksextremismus« der Kampf angesagt. Ob Freital, Heidenau oder Chemnitz: Egal wie viele rechte Zusammenrottungen, Morddrohungen und Übergriffe auf Geflüchtete in den vergangenen ­Jahren passierten, für so viel staatliches Engagement sah man bislang nie einen Anlass. Auch nicht nach dem organisierten Überfall von über 200 Neonazis und Hooligans auf Connewitz im Januar 2016. Eine »Soko Rex« wurde erst vor vier Monaten eingerichtet. Da hatten neonazistische und rechtsterroristische Gruppen wie die Freie Kameradschaft Dresden oder die Gruppe Freital schon jahrelang im Land gewütet.

Nun stellt in Sachsen die Einrichtung einer Soko zu »Rechtsextremismus« durchaus eine logistische Herausforderung dar – man möchte ja nicht gegen seine eigenen Kameraden ermitteln. Ein Beteiligter am Überfall auf Connewitz trat, eine halbe Stunde nachdem er aus dem nächtlichen Polizeigewahrsam entlassen worden war, wieder seinen Dienst an – als Wärter in einer Justizvollzugs­anstalt. Dort »bewachte« er sowohl Rechtsterroristen als auch so manchen Kameraden, mit dem er gerade noch auf den Straßen Leipzigs randaliert hatte. Erst Anfang 2019 wurde er vom Dienst suspendiert.

Geeignetes Personal im Kampf gegen den Feind von links findet sich also genug, und Gründe für ihn sowieso. Da lässt sich die Landesregierung weder von Zahlen beeindrucken (2018 standen 2 278 Straftaten von rechts 701 Delikten von links gegenüber) noch von der Tatsache, dass gerade erst in Dresden der Stadtrat den »Nazinotstand« ausgerufen hat, weil »menschenfeindliche und extrem rechte Einstellungen und Taten bis hin zur Gewalt immer stärker offen zu Tage treten«. Aber solange der rechte Terror keine Unternehmen betrifft, wird man sich wohl weiter den Bedrohungen aus Berlin (Klimaschutz) und Leipzig (Linke) widmen.