Der nahe Osten – Kolumne über die sächsischen Verhältnisse

Sächsischer Heimatschutz

Die Staatsregierung hat dem Leipziger »Linksextremismus« den Kampf angesagt.

»Ich empfinde das Klimapaket an vielen Stellen als Inländerdiskriminierung.« Michael Kretschmer, CDU-Ministerpräsident von Sachsen und verdienter Kämpfer für den Schutz von Heimat, Identität und Inländern, hat in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe über seine Gefühle gesprochen. Er hat ein weiteres Mal bewiesen, dass die AfD in Sachsen eigentlich längst die Regierung stellt. Kretschmers Behauptung ist aber nicht nur populistisch und auf eindrucksvolle Weise dumm, sie überrascht auch. Schließlich befindet sich die CDU gerade mit den Grünen und der SPD in schwierigen Verhandlungen über eine Koalition. Ihre möglichen Partner hatte sie bereits kurz zuvor brüskiert.

Denn nicht nur der Klimaschutz diskriminiert und bedroht der Union zufolge die Sachsen, oder besser: ihre Unternehmen; es wurde noch ein weiterer, keineswegs neuer Feind ausgemacht: der »Linksextremismus«. Anlass sind mehrere Vorfälle in Leipzig im Konflikt um Stadtentwicklung und Gentrifizierung. Lofts, Luxus­sanierungen, Mietsteigerungen, Verdrängung – die Dynamik urbaner hot spots ist bekannt. Wie die Mieten steigen, so mehren sich auch die Aktivitäten der Gentrifizierungsgegner. Für Aufsehen sorgte kürzlich ein Brandanschlag auf drei Kräne einer Großbaustelle in Leipzig. Der Schaden soll sich auf über zehn Millionen Euro belaufen. Christoph Gröner, der Vorstandsvorsitzende der attackierten ­Immobilienfirma CG mit Sitz in Berlin, beschwerte sich anschließend auf einer vom Unternehmen organisierten Pressekonferenz über die Berichterstattung, die sich tagelang nur mit dem rechtsterroristischen Anschlag in Halle beschäftigt habe: »Jeden Tag kommen ­viele Menschen um, jeden Tag passieren viele schlimme Dinge.« Er habe aber nicht gelesen, »dass sich irgendeiner Sorgen um dieses Unternehmen macht«.

Nach einigen weiteren Baustellenbränden und Scharmützeln mit der Polizei eskalierte die Militanz: Eine Mitarbeiterin einer Immo­bilienfirma, die für ein umstrittenes Neubauprojekt im Szenestadtteil Connewitz verantwortlich ist, wurde nachts in ihrer Wohnung überfallen und verletzt. Auf der Internet-Plattform Indymedia bekannte sich eine »Kiezmiliz« zu der Aktion. Man habe die vermeintlich Verantwortliche da treffen wollen, »wo es ihr auch wirklich weh tut: in ihrem Gesicht«.

Dieser brutale Akt militanter Kiezhygiene sorgte auch innerhalb der Leipziger Linken für viel Kritik. Andernorts kamen die Reaktionen so prompt wie absehbar: »Erst brennen Barrikaden und Mülltonnen, dann werden Wehrlose angegriffen. Der Weg zum politischen Mord ist nicht mehr weit, wenn der Rechtsstaat nicht mit allen Mitteln und aller Konsequenz eingreift«, sagte Leipzigs Bürgermeister Burkhard Jung (SPD). CDU-Stadtrat Michael Weickert pflichtete ihm bei: »Der Terror ist unter uns«, so Weickert. »Ob SA, RAF oder heute die Antifa oder der NSU, die Methoden sind die gleichen.«

 

Was alltägliche Gewaltdrohung ist und von wem sie ausgeht, weiß wohl jeder Nichtweiße in Wurzen besser als Polizisten und Bau­unternehmer in Leipzig. Aber das hat die Verantwortlichen der sächsischen Verhältnisse noch nie interessiert. So verkündeten Innenminister Roland Wöller und Justizminister Sebastian Gemkow (beide CDU) drei Tage nach dem Angriff die Einrichtung einer »Soko LinX« sowie ein Kopfgeld von 100 000 Euro für die Ergreifung der Täter. Grüne und SPD, die zumindest formal an der amtierenden Landesregierung beteiligt ist, zeigten sich empört über das unabgesprochene Vorgehen der CDU-Minister. Als erste Sofortmaßnahme der Politik gegen Linke wurde unter Polizeischutz das Kiezwahrzeichen von Connewitz, eine große »Antifa Area«-Wandmalerei, grau übermalt. Gemkow, der gerade auch für das Amt des Oberbürgermeisters von Leipzig kandidiert, sucht offenbar Streit.

Die Opfer des antisemitischen und rassistischen Anschlags in Halle sind gerade erst beerdigt, da wird 40 Kilometer entfernt dem »Linksextremismus« der Kampf angesagt. Ob Freital, Heidenau oder Chemnitz: Egal wie viele rechte Zusammenrottungen, Morddrohungen und Übergriffe auf Geflüchtete in den vergangenen ­Jahren passierten, für so viel staatliches Engagement sah man bislang nie einen Anlass. Auch nicht nach dem organisierten Überfall von über 200 Neonazis und Hooligans auf Connewitz im Januar 2016. Eine »Soko Rex« wurde erst vor vier Monaten eingerichtet. Da hatten neonazistische und rechtsterroristische Gruppen wie die Freie Kameradschaft Dresden oder die Gruppe Freital schon jahrelang im Land gewütet.

Nun stellt in Sachsen die Einrichtung einer Soko zu »Rechtsextremismus« durchaus eine logistische Herausforderung dar – man möchte ja nicht gegen seine eigenen Kameraden ermitteln. Ein Beteiligter am Überfall auf Connewitz trat, eine halbe Stunde nachdem er aus dem nächtlichen Polizeigewahrsam entlassen worden war, wieder seinen Dienst an – als Wärter in einer Justizvollzugs­anstalt. Dort »bewachte« er sowohl Rechtsterroristen als auch so manchen Kameraden, mit dem er gerade noch auf den Straßen Leipzigs randaliert hatte. Erst Anfang 2019 wurde er vom Dienst suspendiert.

Geeignetes Personal im Kampf gegen den Feind von links findet sich also genug, und Gründe für ihn sowieso. Da lässt sich die Landesregierung weder von Zahlen beeindrucken (2018 standen 2 278 Straftaten von rechts 701 Delikten von links gegenüber) noch von der Tatsache, dass gerade erst in Dresden der Stadtrat den »Nazinotstand« ausgerufen hat, weil »menschenfeindliche und extrem rechte Einstellungen und Taten bis hin zur Gewalt immer stärker offen zu Tage treten«. Aber solange der rechte Terror keine Unternehmen betrifft, wird man sich wohl weiter den Bedrohungen aus Berlin (Klimaschutz) und Leipzig (Linke) widmen.