Hannah Eitel über die Normalisierung der Rechten in Dresden

»Wer vom Verfassungs­schutz nicht als rechts­extremistisch bezeichnet wird, gilt als akzeptabel«

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Interview Von

Auch die Soziologin Cornelia Koppetsch benutzt die Metapher vom wütenden Volk als Lavamasse in ­ihrem Buch »Gesellschaft des Zorns«. Aber abgesehen von solchen schrägen Bildern: Hat sich Deutschland innerhalb der letzten Generation nicht tatsächlich stark verändert? Zum Beispiel ist das deutsche Staatsbürgerrecht unter der rot-grünen Koalition liberaler geworden.
Ja, und es gibt mittlerweile die »Ehe für alle«. Es stimmt, dass Dinge möglich geworden sind und Menschen zu Rechten gekommen sind, die sie vorher nicht hatten. Das stört natürlich gerade rechte und konservative Kräfte.
Aber das war kein heimlicher Umbau des Staats und das war auch keine Verschwörung. Es handelte sich um öffentliche, gesellschaftliche Auseinandersetzungen und demokratische Aushandlungsprozesse. Diejenigen, die davon profitierten, erhielten keineswegs irgendwelche Vor- und Sonderrechte, wie es AfD, Pegida und verschiedene AfD- und Pegida-Versteher ständig ­darstellen. Die Versteher geben den extremen Rechten meist ein wenig recht, drücken deren schrille Parolen etwas vornehmer aus, so wie Patzelt mit seinem Vergleich mit Magma und Erdkruste. Diese Leute behaupten, ­Pegida und AfD seien gar nicht rechts, das Land und die Eliten dafür unfassbar links. Das ist ja der Grundtenor, in dem sich die beiden dann treffen.

Wie passen die öffentlichen Reaktionen des damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und des Ministerpräsidenten Kretschmer auf die rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz in dieses Schema?
Im Grunde hat sich nach Chemnitz diese Strategie der Verharmlosung ­einfach fortgesetzt. Nachdem Neonazis Leute auf der Straße gejagt hatten, sagten Maaßen und Kretschmer, es habe keine Hetzjagden gegeben. ­Patzelt sprach in dem Zusammenhang von »Nacheileverhalten«, weil er das Wort Hetzjagd nicht richtig fand. Um bei der Verharmlosung bleiben zu können, dachte er sich ein neues Wort aus.

Die AfD ist inzwischen in einigen Kommunen und Landtagen sehr stark. Wie gut kann da noch die Strategie funktionieren, nicht mit der Partei zu kooperieren?
Je stärker die AfD im Parlament ist, desto schwieriger ist es, bestimmte Strategien von Abgrenzung und Ausgrenzung anzuwenden. Es gibt Orte, wo die Partei so stark ist, dass beispielsweise Abgeordnete in den Kommunalparlamenten überhaupt nicht in der Lage sind, sich in dem Sinne einfach von der AfD abzugrenzen oder zu sagen, sie boykottierten eine Veranstaltung, auf der jemand von der AfD spricht. Am Ende schließt man sich eher selbst aus als die AfD. Für dieses Problem gibt es keine einfache Lösung mehr. Lange Zeit versuchte man oft, die AfD so auszugrenzen, wie man in der Vergangenheit die NPD ausgegrenzt hatte. Das wird aber sehr schwierig, sobald die Fraktion der AfD größer ist als die eigene. Kooperation mit einer völkischen Partei darf es aber auf keinen Fall geben.
Wichtig bleibt vor allem, sich von der extremen Rechten nicht die politische Tagesordnung diktieren zu lassen. Leider ist es genau das, was Medien, ­Politikerinnen und Politiker ständig tun, wenn sie auch ohne Not sagen, man müsse über berechtigte Sorgen oder endlich auch mal wieder über »Heimat« reden.


Hannah Eitel ist Bildungsreferentin bei »Weiterdenken«, dem sächsischen Teil des Verbunds der Heinrich-Böll-­Stiftungen. Sie publiziert zur Normalisierung und Verharmlosung der extremen Rechten. Mit der »Jungle World« sprach sie darüber am Beispiel Dresdens seit dem Aufkommen von Pegida im Oktober 2014.