Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner

Hanomag und Grünkohl

Kolumne Von

Hanomag und Grünkohl haben viel gemeinsam. Es gibt nur noch wenig von beidem, beide haben etwas mit Landwirtschaft und Gartenbau zu tun und beide sind irgendwie Opfer des Kapitalismus.

Aber who the fuck ist Hanomag? Es war einmal – so könnte man das Märchen der Hannoverschen Maschinenbau AG erzählen, aus deren Anfangsbuchstaben das Akronym Hanomag entstand – ein Konzern, der Autos, Kleintransporter, Lokomotiven, Baumaschinen und Traktoren herstellte. In der Nazizeit baute die Firma Nazirüstungsgüter und beutete Zwangsarbeiter aus. Nach Kriegsende ging es weiter mit zivilen Gütern. Bis der uns alle beherrschende Kapi­talismus entschied, dass nun nicht mehr jede Popelfirma ihre eigenen Traktoren bauen solle. Flugs wurde aufgekauft und konzentriert und allmählich verschwand die Marke vom Markt. Heutzutage erzählen nur noch Museen, Liebhabervereine, einzelne Sammler und von der Entwicklung vergessene Traditionalisten mit Tränen der Rührung die große Geschichte vom Ende der großen Hanomag.

Dem Grünkohl geht es nicht anders. Locker 200 verschiedene Sorten gab es einst. Auch das war dem Kapitalismus zu viel der Vielfalt. Also musste ähnlich wie bei der Hanomag ordentlich konzentriert werden. Im Zuge der Marktbereinigung blieb auch beim Saatgut nur noch eine Handvoll Sorten zum Erwerbsanbau übrig. Was für ein großer Verlust an inspirierenden Geschmacksvariationen! Aber – und da sieht man mal wieder die subversive Kraft mancher Pflanzen – »das System« konnte den faszinierenden Grünkohlgeschmack nicht vollends vernichten.

Als ich Anfang November auf einer Kolumnenlesung im ostfriesischen Aurich weilte, wurde mir das sehnsüchtig erwartete wärmende Etwas in der immer kälter und feuchter werdenden Jahresendzeit serviert. Für frisch geernteten und zubereiteten Grünkohl mit etwas Fleisch und Bratkartoffeln würde ich glatt wie früher eine Zigarettenwerbefigur meilenweit gehen. Eigentlich ist der Grünkohl nicht nur im Norden der Republik so etwas wie ein Grundnahrungsmittel. Aber wie so viele andere Leckereien verschwindet er peu à peu aus den Gärten und dem Anbau. Sein Image ist nicht das allerbeste. Wobei, das stimmt nicht ganz. Reiche Menschen und die von ihnen bevorzugten Nobelrestaurants wissen längst, welcher geschmackliche Schatz hier verborgen liegt, und servieren mit allerhand Drumherum den eigentlich sehr günstigen Grünkohl zu nicht ganz niedrigen Preisen. Was aber dem Geschmack keinen Abbruch tut und unsereinen zum Zulangen motiviert.