Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner

Hanomag und Grünkohl

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Kolumne Von

Dabei lässt sich der Kohl leicht anbauen und ist in der Wuchsphase sehr pflegeleicht. Problematisch kann bestenfalls die Aufzucht nach dem Keimen werden. Wenn es in dieser Phase lange trocken und heiß bleibt, muss entweder täglich gegossen werden oder man nimmt etwas Rückstand bei der Größe und Blattdichte in Kauf, wenn er sein Wachstum im Herbst einstellt. Sobald der erste Frost den Morgennebel grüßt, kann er verspeist werden. Hat man mal zu viel, kann man den Überschuss kurz blanchieren und der Gefriertruhe übergeben. Oder man lässt ihn, da er winterhart ist, einfach bis Februar stehen und erntet ihn nach Bedarf.

Abgerundet wurde mein Aufenthalt in Ostfriesland durch einen ungeplanten, aber umso wärmenderen Aufenthalt in einem nicht ganz offiziellen Hanomag-Museum, irgendwo auf dem Land, in einer Scheune. Dort dürfen nur Menschen ihre Nase reinstecken, die Ahnung haben und die sehr speziell sind, also zum Beispiel der letzte linke Kleingärtner. Obwohl ich bei meiner Gartenarbeit weder alte noch neue Traktoren einsetze, sondern voll auf Handarbeit gepolt bin, schmilzt unsereiner beim Anblick von über einem Dutzend Hanomag-Traktoren, deren jüngster schon an die 50 Jahre auf dem Buckel hat – die Produktion wurde 1971 eingestellt –, trotz nasskalter Umgebung dahin und fühlt sich vollends aufgehoben. Und dann gab es eine Sondervorführung des Besitzers nur für mich. Er ließ einen Hanomag R19 an und fuhr damit eine Runde: 19 PS (deshalb auch R19), zwei Zylinder, 1,4 Liter Hubraum, Baujahr 1956. Was für ein Sound. Jammerschade, dass meine sechs Hühner das nicht live erleben durften. Meine Freude und meine tief vor sich hin gluckernden Gefühle hätte ich gerne mit ihnen, von Mensch zu Tier, geteilt. Das ist Leben, das ist Musik, das ist Rhythmus – vielleicht ist es aber auch nur männliche Unbeholfenheit im Umgang mit den täglichen Dingen. Schön ist es allemal.

Als radikale Maßnahme habe ich mich als Kleingärtner nun endlich dazu entschlossen, das System, das uns unsere Hanomag genommen hat und das uns unseren Grünkohl ebenfalls zu stehlen droht, zu bekämpfen und zu besiegen: den Kapitalismus. Ihr könnt mich beim Wort nehmen. Ich bleibe dran und melde mich zurück, wenn ganz Deutschland eine blühende Grünkohlfläche geworden ist. Erinnert mich an mein Versprechen, bevor ich es vor traditionstriefender Gefühlsduselei vergesse. Nix »Fridays for Future« – der Kampf geht weiter, lotta continua!