Jakob Meier, in Berlin angeklagter Hausbesetzer, im Gespräch

»Einen Raum für alle öffnen«

Im Mai vorigen Jahres besetzte das Bündnis »#besetzen« im Berliner Bezirk Neukölln in der Bornsdorfer Straße ein leerstehendes Mehrfamilienhaus, das die Polizei kurz darauf räumte. Viele der Besetzerinnen und ­Besetzer wurden angeklagt. Am Freitag voriger Woche stand Jakob Meier vor Gericht. Die Jungle World hat mit ihm gesprochen.
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Weshalb sind Sie angeklagt und was ist am Prozess­tag passiert?

Angeklagt bin ich wegen Hausfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte – wegen eines angeblichen Tritts gegen einen Polizisten. Am Prozess­tag waren drei Personen anwesend: Ingo Malter, ein Geschäftsführer der »Stadt und Land« (einer Wohnungsbaugesellschaft des Landes Berlin, Anm. d. Red.), der das Haus gehört, und zwei Polizisten. Der eine soll der Geschädigte sein, der andere den Angriff beobachtet haben. Malter hat sich eine sehr gute Story überlegt, die die Aussage für ihn ungefährlich macht. Es ist dann aber herausgekommen, dass er als einer der beiden Geschäftsführer von »Stadt und Land« nicht allein einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs stellen können soll. Der Gesellschaftsvertrag des Unternehmens untersagt das angeblich. Die Geschäftsführer sollen den Antrag nur gemeinsam stellen können. Die Polizisten haben die Story beide sehr unterschiedlich geschildert und wurden darauf auch mehrmals ­angesprochen. Ihre Ausführungen widersprachen denen Malters. Die Richterin fand ihre Aussagen ­unglaubwürdig. Plötzlich kam noch ein weiterer Polizist als Zeuge ins Spiel, der nie als solcher geladen war. Die Richterin hat deswegen einen Folgetag am 13. Dezember angeordnet.

Welche Rolle spielt die »Stadt und Land« in Berlin?

Sie verwaltet städtischen Bestand als kommunales Unternehmen mit der privatrechtlichen Rechtsform einer GmbH, also als Kapitalgesellschaft. Das Haus in der Bornsdorfer Straße haben wir ausgesucht, weil es darum gehen sollte, das Land Berlin, das sonst eher als sozialer Player auftritt, in die Pflicht zu nehmen und aufzuzeigen, dass es Leerstand toleriert. Das Gebäude wurde 2015 gekauft und stand damal schon lange leer, weil man sich nie auf eine Nutzung einigen konnte. Im Prozess haben wir erfahren, dass das ­Gebäude mittlerweile saniert wurde und dort teure Mikroappartements für Studierende entstehen sollen. So etwas passiert, wenn man Wohnraum profit­orientiert verwaltet.

Wie viele Besetzerinnen und Besetzer wurden angeklagt?

Zunächst wurden nur fünf Personen angeklagt, zu denen auch ich gehöre. Zusätzlich zum Hausfriedensbruch kam bei diesen Angeklagten auch noch ein anderer Vorwurf hinzu. Dann gibt es noch über 50 Leute, die nur wegen Hausfriedensbruchs angezeigt wurden. Anscheinend will das Land die Strafanträge, die gestellt wurden, auch verfolgen. Bisher wurde neben meinem nur ein anderer Fall verhandelt. Die angeklagte Person wurde zum im Strafbefehl geforderten Strafmaß verurteilt.

Haben die Prozesse die Öffentlichkeit erreicht?

Das Interesse an den Prozessen beschränkt sich auf einen engeren Kreis, aber es waren auch immer ­externe Leute dabei, die sich solidarisch mit uns gezeigt haben.

Gab es erfolgreiche Besetzungen durch »#besetzen«?

Kürzlich gab es eine Besetzung in Berlin-Lichtenberg, wo es nun Verhandlungen gibt. Dort tut sich die Möglichkeit eines Nutzungsvertrags für ein soziales Zentrum auf, womit wirklich niemand gerechnet hatte.

Sind Besetzungen in Berlin heutzutage noch sinnvoll?

In Berlin gibt es eine intensive mietenpolitische Diskussion und Interesse an Möglichkeiten, die Probleme in der Stadt zu lösen. Eine gut organisierte Besetzung mit spannenden Ideen kann im besten Fall Leute zusammenbringen und erfolgreich sein. Es kommt darauf an zu zeigen, dass wir nicht nur Linke sind, die sich einen Raum nehmen wollen, sondern ­einen Raum für alle öffnen wollen.