Die Posse um ein Nazi-Graffito und die Polizei in Cottbus

Polizisten, die auf Nazis starren

In Cottbus sollten Polizeibeamte ein Graffito einer rechtsextremen Gruppe entfernen. Doch am Ende blieb ein Kürzel dieser Gruppe übrig. Dafür sollen die Verursacher des Schriftzugs gesorgt haben – unter den Augen der Polizisten.

Das parlamentarische Nachspiel der Affäre um ein Graffito in Brandenburg sorgte für eine handfeste Überraschung. Mitte Dezember kam in der ersten ­Sitzung des Innenausschusses des Brandenburger Landtags heraus, wer einen Schriftzug, vor dem zuvor neun Polizisten posiert hatten, übermalt und die Initialen einer rechtsextremen Gruppe hinterlassen hatte.

Ende November 2019 war in sozialen Medien ein Foto aufgetaucht, auf dem neun Beamte der in Cottbus stationierten 3. Einsatzhundertschaft der Brandenburger Bereitschaftspolizei vor der Wand einer Gärtnerei an einer Straße von Cottbus nach Kolkwitz posierten. Auf der Wand war der Schriftzug »Stoppt Ende Gelände!« zu lesen. Rechts und links des Schriftzugs war jeweils ein Krebs zu sehen. Diesen verwendet die rechtsextreme Gruppe »Defend Cottbus« (DC) als Erkennungszeichen.

Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (»Die Linke«) will nicht von einem »generellen Rechts­extremismus­problem in der Brandenburger Polizei« sprechen.

Die Beamten sollten den Schriftzug übermalen. Doch am Ende war der Schriftzug nicht komplett entfernt: Unter anderem war noch das Kürzel »DC!« zu lesen, das durch eine Teilübermalung der letzten Buchstaben »DE!« entstanden war. Auch ein Krebs war noch erkennbar. Anfang Dezember teilte das Brandenburger Polizeipräsidium mit, im Zuge einer internen Revision sei »ein unveröffentlichtes Foto von der Mauer festgestellt worden, das nach der teilweisen Entfernung des Graffito und noch in den späten Abendstunden am Donnerstag, dem 28. November 2019, durch einen Beamten dieser Einsatzgruppe gefertigt worden war«. Damit sei klar, »dass die neun Beamten, bevor sie den Ereignisort nach der beauftragten Entfernung verließen«, den Schriftzug zumindest »kannten und ihn auch dokumentierten«. Es sei deshalb ausgeschlossen, dass die »Veränderung des Buchstaben ›E‹ zum ›C‹ erst« erfolgt sei, nachdem »die neun Polizeibeamten den Ereig­nisort« verlassen hätten. Die Beamten seien »zunächst für die Dauer von drei Monaten« in andere Regionen des Bundeslands versetzt worden.

Wer die Initialen hinterlassen hatte, wurde schließlich in der Sitzung des Innenausschusses Mitte Dezember klar. »Nicht etwa die neun Polizisten haben, wie von den Medien gemeldet, den Schriftzug übermalt und das ›DE‹ zu ›DC‹ geändert. Vielmehr waren die sechs Verursacher (erneut) am Tatort, als die Polizisten von ihrem Polizeiführer dorthin geschickt wurden, um den Schriftzug zu entfernen«, schrieb die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linkspartei) auf Twitter. Landesinnenminister Michael Stübgen (CDU) hatte dies im Innenausschuss bekanntge­geben.

Dort konnte weder geklärt werden, wie die Verursacher von dem Foto der Polizisten erfuhren, noch, warum die Beamten Hilfe beim Entfernen des Schriftzugs benötigten. Stübgen zufolge verbreitete sich das Foto mit den posierenden Polizisten zuerst über diverse Whatsapp-Gruppen und soll dann über nicht verifizierte Kanäle auch zu den Rechtsextremen gelangt sein. Wieso die Täter sich dafür entschieden, zum Tatort zurückzukehren, blieb bislang ungeklärt.

Der Verdacht, dass die Beamten das Kürzel hinterließen, ist zwar vorerst ausgeräumt. Die Fragen werden deswegen aber nicht weniger. So berichtete der Tagesspiegel, in einer Liegenschaft der Cottbuser Polizei seien Reste jener Farbe gefunden worden, die zum Überstreichen des Schriftzugs genutzt worden sei. Zuvor war die Polizeiführung noch davon ausgegangen, dass den Beamten die Farbe ausgegangen war. Zudem ist noch immer ungeklärt, weshalb von den sechs Verdächtigen keinerlei Personalien aufgenommen wurden.

Stübgen versprach eine rigorose Untersuchung der bislang ungeklärten Sachverhalte. »Wir dulden solche Tendenzen in der Brandenburger Polizei nicht – ich persönlich erst recht nicht«, so Stübgen. Derzeit gebe es keine Hinweise auf eine rechtsextreme Unterwanderung der brandenburgischen Polizei.

Die brandenburgische Sektion der Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte vor einer Vorverurteilung der Beamten. »Da ist nichts mit rechts, da ist nichts mit auf dem rechten Auge blind, da ist kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot«, sagte der Landesbezirksvorsitzende der GdP, Andreas Schuster. Die Beamten hätten nur »unüberlegt« ein Erinnerungsfoto geschossen. Einen politischen Hintergrund schloss Schuster aus.

Johlige begrüßte die dreimonatige Versetzung der Beamten im Gespräch mit der Jungle World als »angemessen«. Die Landtagsabgeordnete sagte, sie würde nicht von einem »generellen Rechtsextremismusproblem in der Brandenburger Polizei« sprechen. Sie sei, »auch aufgrund der bisher an den Tag gelegten Sensibilität der Polizeiführung«, eher »vorsichtig mit Verallgemeinerungen«.

Im Mai hatte RBB24 berichtet, dass in Frankfurt an der Oder Mitglieder der Grünen dem AfD-Politiker Wilko Möller vorwarfen, er habe gemeinsam mit anderen Beamten seine Position als Polizist genutzt, um strafrechtlich gegen Grünen-Politiker vorzugehen. Möller kandidierte 2018 erfolglos für das Amt des Oberbürgermeisters in Frankfurt. Bei der Landtagswahl im September wurde er in den Brandenburger Landtag gewählt.

Derweil berichtete das Rechercheprojekt »Anti-Fascist Film Editors Union« (AFFEU) von Verbindungen eines Dozenten der Brandenburger Polizeihochschule zu dem extrem rechten Verein Uniter. Der AFFEU zufolge sollen Einträge in sozialen Medien belegen, dass der Dozent Administrator einer Uniter-Chatgruppe sei, »deren Mitglieder offen rechtsextreme Inhalte« teilen. Dem Tagesspiegel zufolge soll der Dozent »Regionalchef Ost« gewesen sein. Nach Bekanntwerden seiner Mitgliedschaft habe er diese gekündigt. Der Präsident der Hochschule, Rainer Grieger, sagte im RBB: »Ich habe im ­Ergebnis entschieden, dass wir ihn in dieser Position lassen. Ich kenne ihn seit vielen Jahren, ich weiß auch, was er vermittelt und wie er es vermittelt, und habe da ein absolut gutes Gewissen.«

Geändert am 4.1.2020