Der Zoff zwischen der EU und dem UK nach dem Austritt

Der Schlagabtausch beginnt

Bis Ende 2020 soll das künftige Verhältnis zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich geregelt sein. Bereits zu Beginn verlaufen die Verhandlungen zäh.

Das Austrittsabkommen war soeben im Europaparlament gebilligt worden, das Vereinigte Königreich noch Mitglied der EU, da waren die britischen Mitarbeiter der rechtskonservativen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) schon so gut wie arbeitslos. Sie wurden ins Büro der Fraktionsführung bestellt, wo ihnen der Generalsekretär, ein Mann der polnischen Partei PiS, den sofortigen Rausschmiss mitteilte. Damit ist die Fraktion, die die britischen Tories einst nach ihrem Austritt aus der Europäischen Volkspartei zusammenzimmerten, auch die erste im Europaparlament, die keine Briten mehr beschäftigt.

Ein paar Häuser weiter, wo Ursula von der Leyen für die »Tagesthemen« der ARD interviewt wurde, war der Umgangston zwar etwas freundlicher, die Argumentation in der Sache aber ähnlich hart. »Der Zugang unserer britischen Freunde zum Gemeinsamen Markt«, so die EU-Kommissionspräsidentin, »der wird schwieriger für sie werden«, denn »es macht eben einen Unterschied, ob man Mitgliedstaat ist oder nicht«.

Damit sprach von der Leyen an, was zumindest bis Ende 2020 den nächsten Akt des »Brexit«-Trauerspiels füllen dürfte: die Diskussion über das künftige Verhältnis zwischen der EU und ihrem ehemaligen Mitglied. Im Vereinigten Königreich haben die einstigen Befürworter eines »harten« Ausstiegs aus der EU, zu denen neben Premierminister Boris Johnson auch Außenminister Dominic Raab gehört, deutlich gemacht, dass sie gegen eine Verlängerung der Übergangsfrist sind, falls bis Ende 2020 kein Freihandelsabkommen mit der EU stehen sollte. Die neue Vokabel für ein solches Scheiternlassen der Verhandlungen lautet Australia-style deal. Australien hat kein Freihandelsabkommen mit der EU, von der es freilich auch weiter entfernt liegt als Großbritannien. Australien führt weniger als zwei Prozent seiner Exporte in die EU aus, Großbritannien 45 Prozent. Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen eines solchen Arrangements wären also wohl für die Wirtschaft Großbritannien deutlich einschneidender, als sie es für diejenige Australiens sind.

Wenn es ein Abkommen geben sollte, dann, so meint das Lager von Johnson und Raab, könne es sich nur um einen Canada-style deal handeln. Das wäre ein Abkommen nach dem Vorbild des vor einigen Jahren in Europa heftig umstrittenen CETA, mit dem 98 Prozent aller Zölle und Schranken im Handel mit dem nordamerikanischen Land aufgehoben wurden. CETA beinhaltet auch die privaten Schiedsgerichte, die damals viel Widerstand auf sich zogen. Johnson, Raab und Co. wollen so verhindern, dass weiterhin der Europäische Gerichtshof bei Handelsstreitigkeiten zwischen der EU und Großbritannien zuständig wäre.

Allerdings geht Johnson noch weiter: »Es gibt keinen Grund, warum ein Freihandelsabkommen beinhalten sollte, dass wir EU-Regeln über Wettbewerbspolitik, staatliche Beihilfen, Sozialpolitik, Umweltschutz oder irgendetwas dergleichen annehmen sollten«, sagte der britische Premierminister am 2. Februar bei der Vorstellung seiner Verhandlungslinie.
Damit begann Johnson einen Schlagabtausch mit der EU. Innerhalb weniger Minuten widersprach im EU-Hauptquartier sein alter Gegenspieler Michel Barnier, der den Briten als EU-Verhandlungsführer erhalten bleibt, auf seiner eigenen Pressekonferenz: »Wir müssen jetzt Einigkeit finden über genaue und wirkungsvolle Garantien, um sicherzustellen, dass wir langfristig gleiche Voraussetzungen für beide Seiten haben. Das beinhaltet Mechanismen zur Beibehaltung und Weiterentwicklung unserer hohen Maßstäbe im Sozialen, im Umwelt- und Klimaschutz, in Steuer- und Subventionsangelegenheiten.«

Johnson blaffte zurück: »Gleiche Voraussetzungen für beide Seiten ist ein EU-Konzept, das nicht allgemein akzeptiert ist. Einige Freihandelsabkommen enthalten Minimalvereinbarungen zu Wettbewerb, Subventionen, Umwelt und dergleichen. Nur die EU versucht, ihre Vorschriften in solche Gebiete zu exportieren und selbst zu kontrollieren.«

Von der Leyen sekundierte Barnier: »So etwas wie ein Anrecht auf Zugang zum Gemeinsamen Markt gibt es nicht. Das wird immer eine Mischung aus Anrechten und Verpflichtungen sein.« Bereits zuvor hatte die Kommissionspräsidentin in Erinnerung gerufen, wer in den Verhandlungen am längeren Hebel sitzt: »Wir haben eine starke Ausgangsposition und wir (…) werden erst eine Unterschrift unter den Vertrag setzen, wenn alles verhandelt ist und wir ein ausbalanciertes Paket haben.«

Man meint, das schon einmal gehört zu haben. Vieles in den nun beginnenden Verhandlungen dürfte wie eine Neuauflage der Austrittsverhandlungen wirken.