Die Gewerkschaft CGT hat für den französischen Öffentlichen Dienst eine Streikwarnung hinterlegt

Defensive Arbeitskämpfe

In Frankreich hat die Gewerkschaft CGT für den Öffentlichen Dienst eine Streikwarnung hinterlegt, um Beschäftigten, die wegen der Pandemie die Arbeit verweigern, juristischen Schutz zu geben.

Nicht immer gelingt es, anderen zugedachten Beifall zu vereinnahmen. Am Donnerstag vor Ostern suchte der französische Präsident Emmanuel Macron ein Krankenhaus in der südlichen Pariser Vorstadt Le Kremlin-Bicêtre auf, wo Covid-19-Patienten behandelt werden. Journalisten waren erstmals nicht zugelassen, da Macron sich zuvor über »Ausrutscher in der Öffentlichkeitsarbeit« seiner Umgebung erzürnt hatte.

Stattdessen filmten Mitarbeiter des Präsidialamts die Visite und teilten die Bilder dann über die sozialen Medien. Dabei wurde der Eindruck erweckt, das Krankenhauspersonal applaudiere dem Präsidenten. Doch hatten Beschäftigte ebenfalls gefilmt, die Gewerkschaften Sud und CGT veröffentlichten diese Aufnahmen. Beifall gab es, wie sich aus ihnen ergibt, tatsächlich – allerdings nicht für Macron, sondern für eine Krankenschwester aus der Narkoseabteilung, die der CGT angehört und den Präsidenten bei seinem Auftauchen harsch kritisiert hatte.

Vielleicht auch in Erwartung wachsenden sozialen Unmuts setzt die Regierung bereits vorbeugend die Polizei und zudem auch Armeeangehörige ein – bis zu 160 000 Ordnungskräfte –, um die Einhaltung der Ausgangsbeschränkungen zu kontrollieren. Diese mögen wegen der Ansteckungsgefahr medizinisch begründbar sein, zugleich macht die Regierung mit ihnen jedoch Politik. Und nicht nur sie: In der rechtsextrem regierten Stadt Béziers, deren Bürgermeister Robert Ménard (parteilos) die Anzahl der Angehörigen der städtischen Polizei in sechs Jahren verdreifacht hat, übernimmt diese die Kontrollen. Mitte voriger Woche kam in einem ihrer Fahrzeuge der 33jährige Obdachlose Mohamed Gabsi zu Tode, mutmaßlich ist er erstickt. Er war wegen Nichteinhaltung der Ausgangssperre, die aufgrund einer Kommunalverordnung im Stadtgebiet in den Abend- und Nachtstunden eine absolute ist, von der Polizei aufgegriffen worden.

Landesweit gilt kein komplettes Ausgangsverbot, doch muss jedes Verlassen der Wohnung durch ein zuvor ausgefülltes, unterschriebenes und mit der Uhrzeit versehenes Papier, das man bei sich trägt, begründet werden. Bis zum Wochenende wurden neun Millionen Personen kontrolliert und eine halbe Million Geldbußen verhängt, in einem halben Dutzend Fällen gegen »Serientäter« auch mehrmonatige Haftstrafen.
Zugutehalten muss man der Regierung indessen, dass sie zugleich eine Informationskampagne zum Thema häusliche Gewalt auflegte. Die Zahl der Anzeigen deswegen soll seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen um 20 Prozent gestiegen sein. Um es Frauen zu erleichtern, gegen gewalttätige Partner Hilfe zu rufen, wurde eine Notfalltelefonnummer eingerichtet, Anzeigen wegen solcher Delikte können auch in Apotheken abgegeben werden, die sie dann an die Polizei weiterleiten.

Die generellen Auflagen sind erheblich strenger als in Deutschland, das Ausmaß der Pandemie ist in Frankreich allerdings auch größer. Zu Wochenbeginn waren in Frankreich rund 15 000 Tote zu verzeichnen, in Deutschland rund 2 500. Französische Staatsbürger wurden in manchen deutschen Städten im Grenzgebiet angepöbelt oder gar mit Steinen beworfen.

In Erwartung wachsenden sozialen Unmuts setzt die Regierung bereits vorbeugend die Polizei und zudem auch Armeeangehörige ein, um die Einhaltung der Ausgangsbeschränkungen zu kontrollieren.

Im Öffentlichen Dienst – wo Arbeitsniederlegungen, anders als in der Privatwirtschaft, zuvor angekündigt werden müssen – hinterlegte der Gewerkschaftsverband CGT eine Streikwarnung für die Zeit vom 1. bis zum 30. April. Bürgerlichen Medien stellten dies als verantwortungslos dar. In Wirklichkeit handelt es sich allerdings um eine juristische Vorsichtsmaßnahme für Fälle, in denen die Arbeitgeber sich weigern, das Recht auf individuelle Arbeitsverweigerung wegen Gesundheitsgefährdung durch Covid-19 anzuerkennen. Dann müssten die abhängig Beschäftigten vor Gericht ziehen, eventuell auch eine bereits erlittene Sanktion oder gar Kündigung anfechten. Um eine solche Zwangslage von vornherein zu vermeiden, sprach die CGT eine allgemeine Streikankündigung aus; diese schützt die Beschäftigten vor Sanktionen, da sie sich so auf das Grundrecht auf Streik berufen können. Allerdings entfällt dann, anders als beim individuellen Zurückbehaltungsrecht, auch jeglicher Anspruch auf Lohn oder Gehalt.

Deswegen optieren Lohnabhängige, wo immer möglich, für das individuelle Arbeitsverweigerungsrecht, von dem oft kollektiv Gebrauch gemacht wird. Beim der französischen Post legten so mindestens 10 000 Beschäftigte die Arbeit nieder. Ende März verurteilte ein Pariser Gericht die Post überdies dazu, darzulegen, welche Schutzvorkehrungen sie gegen Ansteckungen mit Covid-19 getroffen habe.

In den Streik traten hingegen 50 Beschäftigte der Müllentsorgung im westfranzösischen Poitiers, deren Arbeit vor einem Jahr ausgelagert worden war. Die Privatfirma, bei der sie nun angestellt sind, griff auf einen Trick zurück und lässt sie seit Beginn der Coronakrise jede zweite Woche mit staatlichem Kurzarbeitergeld bezahlen. Dieses beträgt 84 Prozent des Nettogehalts und wird derzeit an acht Millionen Beschäftigte ausgezahlt, Voraussetzung ist die vorübergehende Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung. In Poitiers geht es dem Arbeitgeber jedoch schlicht darum, Kosten auf den Staat abzuwälzen. Die Beschäftigten arbeiten zwar nur jede zweite Woche, sollen in dann aber acht statt der sonst üblichen drei Tonnen Abfälle entsorgen.

Ferner sieht der Staat vor, dass Firmen auf freiwilliger Basis ihren Beschäftigten, die in der Coronakrise weiterarbeiten, bis zu 2 000 Euro Jahresprämie ausbezahlen und die dafür aufgewendeten Gelder von der Unternehmensbesteuerung ausnehmen können. Die Müllabfuhr in Poitiers will nur 150 Euro Jahresprämie zahlen. Daraufhin traten rund drei Viertel der Belegschaft in den Streik. Betrug mit Kurzarbeitergeld durch die Arbeitgeber auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten gibt es jedoch auch andernorts.