Die Bundesregierung will die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie verbessern

Schlachten unter Lebensgefahr

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Gewerkschaften und Sozialverbände fordern seit längerem, gegen die systematische Ausbeutung in der Branche vorzugehen. Doch erst die Infektionszahlen veranlassten die Bundesregierung zum Eingreifen. Bevor das Bundeskabinett das »Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft« verabschiedete, hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigt, in der Branche wegen der vielen Infektionsfälle »aufzuräumen und durchzugreifen«.

Dem Programm zufolge sollen ab 1. Januar 2021 die Schlachtung und die Verarbeitung von Fleisch nur noch von Beschäftigten des eigenen Betriebs zulässig sein, das System der Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassungen wäre somit hinfällig. Bei Verstößen gegen die Arbeitszeitvorschriften sollen künftig Bußgelder bis zu 30 000 Euro erhoben werden statt wie bisher höchstens 15 000 Euro. Die Betriebe und die Unterkünfte der Beschäftigten sollen häufiger kontrolliert werden.

Die Industrie protestiert gegen das Gesetzesvorhaben. Der Fleischfabrikant Clemens Tönnies hatte vor dem Kabinettsbeschluss einen Brief an Heil geschrieben, in dem er warnt, ein generelles Verbot von Werkverträgen in der Fleischwirtschaft hätte »massive, strukturell-negative Veränderungen für die Agrarwirtschaft zur Folge«.

Friedrich-Otto Ripke, der Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft, sagte, es sei verfassungswidrig, Werkverträge nur für die Fleischbranche zu verbieten. »Wir würden dann diskriminiert, weil es diese Verträge ja auch zum Beispiel in der Logistik gibt – bei Amazon – zuhauf im Moment, in der Baubranche, in vielen anderen Branchen.« Eine Klage wolle er vermeiden und lieber eine Lösung mit Heil suchen: »Ich möchte mit ihm reden.« Gesprächsangeboten aus der deutschen Industrie verschließt sich die Bundesregierung eher selten.