Der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen ist in den Dax aufgestiegen

Mit Schattenmiete in den Dax

Das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen ist in den Deutschen Aktienindex Dax aufgestiegen, der die 30 börsenstärksten Konzerne umfasst. Weder der »Mietendeckel« noch die Coronakrise mindern die Gewinnerwartungen.

»Berlin bekommt wieder einen Dax-Konzern!« freute sich das Berliner Boulevardblatt B.Z. kürzlich. »Die Coronakrise wirbelt auch die erste deutsche Börsenliga durcheinander: Die Lufthansa muss Platz machen für den zweiten Immobilienkonzern im Dax. Die Berliner Wohnungsgesellschaft Deutsche Wohnen steigt auf.«

Der Abstieg des Dax-Gründungsmitglieds Lufthansa aus dem bedeutendsten deutschen Aktienindex trotz staatlicher Hilfen ist vor allem eine Folge der Coronakrise. Die Deutsche Wohnen hingegen dürfte profitieren, wie der Politikwissenschaftler Philipp Metzger erläutert: »In Krisen flieht das Kapital in vermeintlich sichere Häfen, wie zum Beispiel den deutschen Immobilienmarkt. Der Aktienkurs wird wahrscheinlich steigen. Durch den Mietendeckel sind die Profitsteigerungsstrategien in Berlin bedroht. Deshalb dürfte das Unternehmen versuchen, weitere kleinere Konkurrenten zu übernehmen, gerade auch außerhalb der Hauptstadt.« Da sich etwa 116 000 der 160 000 Wohnungen der Deutsche Wohnen in Berlin befinden, ist die Berliner Mietgesetzgebung für das Unternehmen von großer Bedeutung.

Auch die Klagen gegen den »Mietendeckel« dürften dazu beigetragen haben, die Aktie der Deutsche Wohnen zu stabilisieren.

Die Deutsche Wohnen scheint allerdings darauf zu vertrauen, auch in Berlin weiterhin ordentlich Rendite mit der Miete zu machen. Kurz vor der Aktionärsversammlung am 5. Juni versuchte das Unternehmen, einem Geschäftsmann 23 Häuser abzukaufen. 21 dieser Gebäude liegen in Berlin, zwölf davon im Ortsteil Kreuzberg, viele in Milieuschutzgebieten. Weder der sogenannte Mietendeckel noch die Milieuschutzverordnung hält die Deutsche Wohnen in Berlin von Kauftouren ab.

Warum die Coronakrise die Deutsche Wohnen nicht so hart trifft, erläuterte Jenny Stupka von der Initiative »Deutsche Wohnen&Co. enteignen« in der Online-Sendung »3x3« des Berliner Bildungsvereins »Helle Panke«: Der Konzern habe die Gewinnerwartung trotz der Krise nicht zurückgenommen, denn bei allen bundes- und landesrechtlichen Regelungen zum Schutz für Mieter bei Zahlungsunfähigkeit während der Pandemie gehe es nur um Stundungen. Alle gestundeten Mieten müssten irgendwann gezahlt werden.

Am 5. Juni, dem Tag der Aktionärsversammlung der Deutsche Wohnen, war die Aktie des Unternehmens zeitweilig 43 Euro wert. Fünf Jahre zuvor hatte sie 21,33 Euro gekostet, also nur halb so viel. In der Einladung zu der online abgewickelten Versammlung hatte das Unternehmen seinen Aktionären eine Dividende von 0,90 Euro pro Aktie angekündigt. Im Vorjahr hatte diese bei 0,87 Euro gelegen. Die Aktionäre durften sich also nicht nur über die starke Wertsteigerung der Aktie, sondern auch über eine kleine Erhöhung der Ausschüttung freuen.

Die Aktie der Deutsche Wohnen war allerdings während der Diskussion über den »Mietendeckel« (Mietendeckel für die Mietnation - Berliner Mietpreisbremse) stark eingebrochen. Das erste Tief kam in den Sommermonaten 2019, als der Berliner Senat über dessen Ausgestaltung diskutierte: 29,19 Euro am 26. August. Nachdem das Berliner Abgeordnetenhaus die Maßnahme Ende Januar beschlossen hatte, sank der Wert der Aktie bis zum 18. März auf 28,20 Euro.

Die Wende kam mit der Ansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Pandemie, in der sie Maßnahmen zum Infektionsschutz ankündige. Während die Produktion teilweise ruhte, stieg der Kurs der Aktie des Immobilienunternehmens, was Metzgers These von den »sicheren Häfen« stützt. Auch die Klage der Abgeordnetenhausfraktionen von FDP und CDU vor dem Berliner Landesverfassungsgerichtshof und die Normenkontrollklage der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den »Mietendeckel« dürften im Mai ihren Beitrag zur Stabilisierung der Aktie geleistet haben.

Wie die Deutsche Wohnen mit dem »Mietendeckel« umgeht, zeigt ein Tweet der Juristin und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Halina Wawzyniak (Linkspartei). Sie veröffentlichte einen Brief der Firma an einen potentiellen Neumieter, dessen Miete das Jobcenter bezahlt. In dem Schreiben fordert das Immobilienunternehmen den möglichen Neumieter dazu auf, sich vom Jobcenter auch eine Bestätigung über die Zahlung einer sogenannten Schattenmiete zu besorgen. »Während der Laufzeit des Mietendeckels wird nur die Mietendeckelmiete verlangt, parallel werden Mieterinnen und Mieter aber zu einer höheren Miete jenseits des Mietendeckels vertraglich verpflichtet«, beschrieb der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, jüngst die Vorgehensweise. Es werde so getan, als sei bereits klar, dass bei einer Verfassungswidrigkeit des sogenannten Mietendeckels eine Nachzahlungspflicht für Mieterinnen und Mieter bestehe, schrieb Wawzyniak auf ihrem Blog. »Die Immobilienlobby möchte also im Rahmen von zivilrechtlichen Verträgen vorab bereits eine mögliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts außer Kraft setzen.«

Als Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sich am Donnerstag vergangener Woche mit Mitgliedern der Kampagne für einen Volksentscheid »Deutsche Wohnen&Co enteignen« traf und signalisierte, dass der Senat der Einleitung der zweiten Stufe des Volksentscheids nichts in den Weg legen werde, gab die Aktie der Deutsche Wohnen kurzfristig ein wenig nach. Am folgenden Tag ging es aber wieder bergauf. Auf die Frage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, ob Berlin nicht ein unsicherer Markt sei, antwortete Michael Zahn, der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Wohnen: »Wir glauben an Berlin und seinen Mietmarkt«.