Die Rechtskolumne – was tun eigentlich Staatsanwälte?

Ermitteln, verfolgen, vollstrecken

Was macht eigentlich ein Staatsanwalt? Im Paragraphendschungel – eine Kolumne über das Recht im linken Alltag, Teil 25.

Linke nehmen meist eine kritisch-distanzierte Haltung zum staatlichen Strafen ein, und so ist es eine unter linken Rechtsreferen­darinnen und -Referendaren vieldiskutierte Frage, ob man im Zuge der Ausbildung in die Staatsanwaltschaft geht oder nicht ­lieber doch an ein Jugendgericht. Das hat einen einfachen Grund: In keiner Ausbildungsstation hat man so viel eigenen Einfluss wie in der Staatsanwaltschaft. Gemäß Paragraph 142 des Gerichtsverfassungsgesetzes können einer Referendarin oder einem Referendar nämlich die Aufgaben eines Amtsanwalts übertragen werden, zu denen auch die Bearbeitung kleinerer Fälle bei den Amtsgerichten gehört. Angesichts des Personalmangels wird von dieser Möglichkeit rege Gebrauch gemacht.

Aber auf was haben Referendare da überhaupt Einfluss? Was macht eigentlich die Staatsanwaltschaft? Sie ist, grob gesagt, zuständig für die Ermittlung und Verfolgung von Straftaten sowie die Vollstreckung von Strafen. Im Bereich der Ermittlung bedient sie sich ­sogenannter »Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft«, im Regelfall ist das die Polizei. Das mag überraschen, da die Polizei in der Öffentlichkeit als weitgehend eigenständig agierend wahrgenommen wird, ist aber rechtlich so vorgesehen. Ist bei bestimmten Ermittlungsmaßnahmen wie zum Beispiel der Durchsuchung einer Wohnung eine richterliche Anordnung vorgeschrieben, so beantragt die Staatsanwaltschaft diese. In der Praxis ist es jedoch oft so, dass die Polizei erst einmal ermittelt und ihre Ergebnisse der Staatsanwaltschaft vorlegt. Einzig bei dieser liegt dann die Entscheidung über das weitere Vorgehen. Sie kann weitere Ermittlungen anordnen, selbst Zeuginnen und Zeugen vernehmen, Anklage erheben oder das Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen einstellen. Hierbei ist sie verpflichtet, nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände zu berücksichtigen; sie soll eigentlich nicht Partei, sondern neutrale Ermittlungsbehörde sein. Allerdings erweckt sie oftmals einen anderen Eindruck, so auch im aktuellen Fall der beiden Berliner Staatsanwälte, die beim Berliner Staatsschutz mit Ermittlungen zu einer rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln betraut waren. Sie verschwiegen offenbar einen Vermerk der Polizei, der den Verdacht aufwarf, der leitende Staatsanwalt sympathisiere mit einem Beschuldigten aus dem rechtsextremen Milieu.

Verfahren werden recht häufig eingestellt, etwa wenn mangels hinreichendem Tatverdacht oder wegen der Geringfügigkeit einer Tat keine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung besteht. In diesem Fall kann das Verfahren auch gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt werden. Erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, kann sie nicht mehr allein entscheiden, denn dann beginnt die Hoheit des zuständigen Gerichts über das Verfahren und die Staatsanwaltschaft vertritt die Anklage. Diese Aufgabe ist unter eher konservativen Referendaren beliebt, die sich gern erzählen, welch hohe Strafen sie beantragt oder auch durchgesetzt haben. Die Staatsanwaltschaft ist aber weiterhin verpflichtet, auch entlastende Umstände zu berücksichtigen. Und sie kann auch noch während der Verhandlung beantragen, das Verfahren einzustellen.