Schlechtes Arbeitsklima bei Ellen DeGeneres

Plötzlich toxisch

Nett zu sein, gehört zum Geschäftsmodell der überaus erfolgreichen Komikerin und Moderatorin Ellen DeGeneres. Doch gilt dies offenbar nur vor der Kamera: Ehemalige Angestellte erheben schwere Vorwürfe gegen DeGeneres und ihre Produzenten.

Dass narzisstische Persönlichkeiten und Machtmissbrauch in der Fernsehbranche keine Seltenheit sind, dürfte niemanden überraschen. Aber nun werden entsprechende Vorwürfe auch gegen die Moderatorin Ellen DeGeneres erhoben, die nicht einfach nur wie viele andere Prominente ein unverbindliches philanthropisches Image pflegt, sondern mit ihrem Eintreten für die LGBTQI-Community in der Vergangenheit auch tatsächlich viel erreicht hat.

Zwar wird DeGeneres nicht persönlich beschuldigt, allerdings soll sie auch nichts unternommen haben, um die Situation der Mitarbeiter zu verbessern. Die sonst so redselige Talkshowmoderation rede schlichtweg nicht mit dem an der Produktion beteiligten Stab.

1997 schrieb sie mit ihrem doppelten Coming-out Fernsehgeschichte. Nicht nur ihre Serienfigur Ellen bekannte sich in der gleichnamigen Sitcom dazu, lesbisch zu sein, auch die Komikerin selbst outete sich im Nachrichtenmagazin Time. Das Echo war enorm: Obgleich die Doppelepisode »The Puppy Episode (Das Outing)« trotz Angriffen von kon­servativer Seite ein großer kommerzieller Erfolg war, wurde die Show wenig später abgesetzt. Kritikern galt die ABC-Sitcom als »too gay«. Für die junge DeGeneres bedeutete das zunächst einen Karriereknick. Erst sechs Jahre später gelang ihr das Comeback. DeGeneres übernahm 2003 nicht nur eine Rolle als Synchronsprecherin in dem erfolgreichen US-Animationsfilm »Findet Nemo«, sondern bekam auch eine eigene Talkshow. Mit der inzwischen vielfach ausgezeichneten »The Ellen DeGeneres Show« eroberte die 1958 in Loui­siana als Tochter eines Versicherungsmaklers und einer Sprachthera­peutin geborene Moderatorin das große Publikum. Sie verfügt über 80 Millionen Follower auf Twitter und mehr als 37 Millionen Abonnenten auf Youtube und gilt als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der US-amerikanischen Öffentlichkeit.

Seit kurzem gibt es schwere Vorwürfe gegen DeGeneres: Ehemalige Angestellte klagen über ein toxisches Arbeitsklima im Umfeld der von Warner Bros. produzierten Show. Zwar wird DeGeneres nicht persönlich beschuldigt, allerdings soll sie auch nichts unternommen haben, um die Situation der Mitarbeiter zu verbessern. Die sonst so redselige Talkshowmoderation rede schlichtweg nicht mit dem an der Produk­tion beteiligten Stab. Drei ihrer Produzenten sollen übergriffig gewesen sein und Angestellte sexuell belästigt haben. Inzwischen trennte sich die Filmgesellschaft Warner Bros. von den Beschuldigten. Zudem sollen sich die Angestellten der Show über fünf weitere Urlaubstage freuen. DeGeneres musste sich nun unter dem Druck der Öffentlichkeit dafür entschuldigen, sich nicht entschieden genug gegen ein Arbeitsklima von Mobbing, Rassismus und sexu­ellem Fehlverhalten eingesetzt zu haben. Sie hätte dank ihrer herausragenden Position schließlich durchaus die Macht gehabt, Strukturen zu ­verändern, hätte sie es denn für nötig gehalten.

In deutlichem Gegensatz zum ignoranten Verhalten gegenüber Mit­arbeitenden steht nicht nur ein zur Schau gestellter Aktivismus, sondern auch die wohlfeile Unterstützung der #MeToo-Kampagne. DeGeneres ­behandelte das Thema in ihrer Show: So sei sexuelle Belästigung weder männlich noch weiblich noch politisch. Sie passiere überall, auch am Arbeitsplatz. »Dies ist keine männliche oder weibliche Sache, es ist ­keine Hollywood-Sache oder eine politische Sache. Dies ist eine menschliche Sache und es passiert am Arbeitsplatz, es passiert in Familien, es passiert auf der ganzen Welt und wir sind alle gleich. Wir alle wollen dasselbe: Wir wollen Respekt, Liebe und Freundlichkeit, und wenn ich diese drei Dinge und ein neues iPhone 10 haben kann, bin ich zufrieden«, erklärte sie damals unter großem Beifall der Öffentlichkeit.

Ein Beispiel für Übergriffigkeit lieferte DeGeneres bereits 2008. Damals drängte die Moderatorin ihren Gast Mariah Carey dazu, sich in der Show zu dem Gerücht zu äußern, dass sie schwanger sei. DeGeneres reichte ihrem Gast sogar ein Glas Champagner, um zu testen, ob die Sängerin Alkohol trinkt. Als ­Carey zwei Jahre später bekannt gab, dass sie – einige Wochen nach ihrem Auftritt in der Show – eine Fehlgeburt erlitten hatte, wurde das damalige Verhalten der Moderatorin gegenüber Carey zum Gegenstand einer Internetdebatte. Hatte DeGeneres die Privatsphäre und sogar das Wohl ihrer Kollegin für bessere Quoten geopfert?

Vor etwa einem Jahr wurde DeGeneres witzelnd mit George W. Bush auf den Zuschauerrängen eines Sport­stadions gesehen. Dass der ehemalige US-Präsident ein entschiedener Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe ist, schien sie nicht zu stören. Hinter persönliche Beziehungen müssten auch politische Differenzen zurückstehen, erklärte sie. Ihr Motto »Be kind!« ist also apolitisch zu verstehen. Doch ist es am Ende auch eine Klassenfrage. Oder würde sich die Starmoderatorin mit einem homophoben Bauarbeiter auf die Tribüne setzen?

2007 und 2008 rief die Gewerkschaft Writers Guild of America, die die Autoren in der Film- und Fernsehindustrie der USA repräsentiert, ihre Mitglieder zum Streik auf. DeGeneres unterstützte den Streik für genau ­einen Tag, bevor sie mit der Wiederaufnahme der Arbeiten zur Streikbrecherin wurde. Auch ein Beispiel aus jüngerer Zeit ging durch die Medien: Laut Variety wurden während der Covid-19-Pandemie Mit­arbeiter der Show nicht darüber informiert, wie es für sie in der kri­tischen Zeit beruflich weitergehe.

In ihrer Show betreibt DeGeneres die Heroisierung des Einzelnen. Mehrmals hat sie Lehrerinnen und Lehrer eingeladen, die allen Widrigkeiten des kaputtgesparten Schulsystems trotzen. Dass diese dabei von ihrem mageren Gehalt mehrere Hundert Dollar für Unterlagen ihrer Schüler ausgeben müssen, ist für DeGeneres kein Anlass zur Kritik am hoffnungslos unterfinanzierten Schulsystem. Es ist lediglich die Überleitung zu Marketingaktionen von Unternehmen, die die gebeutelten Lehrkräfte mit ein paar Gutscheinen beschenken. Mit großem Brimborium werden Schecks verteilt, Tränen buchstäblich mit Dollarscheinen getrocknet.

Die gescholtene Moderatorin versucht sich derweil zu erklären. Sie wollte immer die Stimme derjenigen sein, die keine Stimme haben – ­DeGeneres wisse schließlich, wie sich das anfühle. Es drängt sich der Verdacht auf, dass nicht Unrecht an sich das Problem ist, sondern das ihr ­widerfahrene. Zu scheitern oder die eigenen Vorsätze zu verraten, bleibt aber immer auch ein Scheitern an den Verhältnissen, deshalb darf nicht nur die Person Ellen DeGeneres kritisert werden; sondern Kritik muss über das Persönliche hinausgehen. Auch, um DeGeneres vor einer besonders ekligen Form der Häme in Schutz zu nehmen, die ihr als Frau und Lesbe entgegenschlägt.

Machtmissbrauch hat kein Geschlecht. Es sind systemische Verhältnisse, die narzisstischen Persönlichkeiten wie DeGeneres die Möglichkeit bieten, sich weiterhin als sympathisches Poster-Girl zu inszenieren. Mit einer Aussage, die sie in Bezug auf die #MeToo-Kampagne tätigte, hat sie jedoch recht: »There is power in numbers.« Ihre ehemaligen Angestellten beweisen dies nun, indem sie in großer Zahl auf die Missstände hinweisen und dafür sorgen wollen, dass sich die Bedingungen für die­jenigen verbessern, die hinter den Kulissen die Arbeit erledigen.