Der britische DJ Mark Devlin auf »Covid-19 Truth Tour«

Vom DJ zum Truther

Der einst erfolgreiche britische DJ Mark Devlin verbreitet Verschwörungstheorien und ist derzeit auf einer »Covid-19 Truth Tour«.

Er war ein erfolgreicher britischer DJ, dessen Mixe nicht nur bei der BBC ­gespielt wurden, der eine eigene Radiosendung hatte und unter anderem in Clubs in Taiwan, Griechenland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und New York auflegte. Doch kaum einen seiner früheren Fans scheint es zu interessieren, dass aus ihm ein Verschwörungstheoretiker geworden ist. Vielleicht sind diejenigen, die Mark Devlin früher begeisterte, inzwischen selber Impfgegner und Coronaleugner, vielleicht führen sie bürgerliche Reihenhausexistenzen, vielleicht sind DJs ­ohnehin nie so wichtig oder interessant gewesen wie die Musik, die sie auflegten.

Devlin glaubt an so gut wie jede Verschwörungstheorie, die es gibt, sowie an allerlei Esoterisches. Mit Musik beschäftigt er sich schon seit Jahren nur noch, wenn es der Verbreitung seiner Glaubenssätze dient. 2016 begann Devlin eine Sachbuchserie, in der er über satanische Einflüsse in der Musik- und Popkultur schreibt. Diese bringt es bei Amazon auf 75 fast durchgängig positive Bewertungen, was für ein im Selbstverlag veröffentlichtes Werk nicht schlecht ist, auch wenn ihm in den beiden negativen Rezensionen vorgeworfen wird, er sei bloß ein Abklatsch von David Icke und mache viel zu viele Rechtschreibfehler. Der ehemalige Profifußballer und BBC-Sportreporter Icke verbreitet seit Jahrzehnten antisemitische Verschwörungsmythen.

Derzeit befindet sich Devlin auf »Covid-19 Truth Tour« durch Großbritannien, wenn er nicht gerade am Reizdarmsyndrom leidet, das er allerdings recht gut mit heilenergetischen Übungen in den Griff bekomme, wie er kürzlich auf seinem Blog mitteilte. Vielleicht rühren seine gesundheitlichen Probleme auch daher, dass seine Tour so strapaziös ist: Jeden Tag tritt Devlin in einer anderen Fußgängerzone vor, wie Videos zeigen, nur mäßig ­interessierten Passanten und dafür umso engagierteren Coronaleugnern auf. Letztere hören begeistert die immer gleichen Reden, wie man sie auch aus Deutschland kennt. Covid-19 sei eine Erfindung der Regierung. Die Cousine der Bekannten einer Nachbarin sei in einem Krankenhaus in leitender Position tätig. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit habe sie der Bekannten anvertraut, die Covid-19-Fälle seien alle erfunden. Irgendjemand zitiert eine angebliche wissenschaftliche Untersuchung, wonach Masken lebensgefährlich seien. Es wird über vermeintliche Machenschaften von George Soros und Bill Gates sowie einen angeblich stattfindenden Bevölkerungsaustausch geraunt. Auch in Großbritannien gibt es keine Lügengeschichte, die zu alt und zu bizarr wäre, um nicht doch noch bei einer Demonstration von Coronaleugnern neu verpackt zum Vortrag zu kommen.

Weit erfolgreicher als Devlin ist Piers Corbyn, der Bruder des ehemaligen ­Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn. Devlin hat ihn in einem seiner Podcasts eingehend interviewt. Piers Corbyn organisierte im August eine Corona­leugner-Demonstration in London. Der 73jährige ist Impfgegner und hält den Klimawandel sowie Wetterberichte für gezielt verbreitete Lügen. Auf seiner Demonstration versammelte er neben führenden Verschwörungspredigern des Landes wie Icke und Vernon Coleman Tausende, die die Mobilfunktechnologie 5G für gesundheitsschädlich, Bill Gates für die Ausgeburt des Bösen und die angeblichen Enthüllungen von Qanon für die letzte Chance der Menschheit auf Rettung vor einer internationalen Elite der Kinderschänder halten. Dem Guardian sagte Corbyn, lockdowns seien ungesetzlich, weil es sich bei Covid-19 in Wirklichkeit bloß um eine ganz normale Grippe handele. Er ruft die Politiker des Landes dazu auf, sich neuerlichen Beschränkungen zu widersetzen, ansonsten werde man eine Kampagne beginnen, sie ihrer Parlamentsmandate entheben zu lassen. Bislang ist das allerdings nicht geschehen, obwohl die Pandemiemaßnahmen inzwischen aufgrund rapide steigender Infektionszahlen wieder verschärft wurden.

Eine Labour-Politikerin verbreitete eine der ersten rein britischen Verschwörungstheorien über Corona. Andi Fox, die Vorsitzende des einflussreichen National Executive Committee der Labour-Partei, behauptete im April auf Twitter, Premierminister Boris Johnson sei in Wirklichkeit gar nicht an Covid-19 erkrankt. Dazu retweetete sie einen Tweet, wonach das Portal Dorset Eye gemeldet habe, zwei Ärzte, die die Diagnose Johnsons nicht bestätigen wollten, seien beurlaubt worden, und ein anonymer Mediziner habe über Johnson gesagt: »Wenn er Covid-19 hat, dann bin ich kein Doktor.«

Dass Fox Dorset Eye als seriöse Quelle ansah, ist erstaunlich. Das Portal ­wurde 2012 als Website für Bürgerjournalismus gegründet. Es entpuppte sich schnell als auf die Verteidigung der Antisemiten in der Labour-Partei aus­gerichtetes BDS-Unterstützerprojekt, das Websites verlinkt, die antisemitische Verschwörungsphantasien verbreiten. Der Twitter-Account, der die von Fox verbreitete Behauptung über Johnson verfasste, gehört einem nach ­eigenem Bekunden »linken Sozialisten«, der unermüdlich linke Lügen über Israel postet. Nach vehementer Kritik tat Fox schließlich das, was erwischte Politiker in solchen Fällen zumeist tun. Sie behauptete, die Falschmeldung bloß aus Versehen retweetet zu haben, und setzte anschließend ­ihren Account auf privat.