Freitag, 26.05.2017 / 19:02 Uhr

Angst esssen Fakten auf

Von
Gastbeitrag von David Kirsch

„Angst essen Zukunft auf“ – unter diesem Titel veranstaltet die Gruppe42 am 16. und 17. Juni in Wien eine Konferenz. Auf ihr sollen „Strategien und Ideen für eine freie und offene Gesellschaft“ ausgearbeitet werden. Der Gastgeber ist kein Unbekannter: Der Schauspieler Stephan Bartunek wirkte noch vor 3 Jahren als Veranstalter der sogenannten „Montagsmahnwachen“ in Wien. Damals wie heute geht es um nicht weniger als die Zukunft der Friedensbewegung – oder das, was man dafür hält. Dabei versprechen die geladenen Gäste allerlei brandgefährliche Kuriositäten zu bieten.

Von der Verschwörung zur Holocaustleugnung

Da wäre zuvorderst Dr. Phil. Daniele Ganser, Schweizer Historiker. Er wird die Konferenz mit einem Vortrag eröffnen. Seit seiner Dissertation über „NATO Geheimarmeen“ von 2005 ist er so etwas wie der Star der Verschwörungsszene. Der Schweizer Tagesanzeiger spricht von ihm als “Schweizer Galionsfigur der Verschwörungstheorien zu 9/11”. Für Ganser haben der Anschlag auf das World Trade Center, der Malaysia-Airlines Flug 17 und der Anschlag auf Charlie Hebdo eines gemeinsam: Was Genaues weiß man nicht. Denn eine abschließende Beurteilung, ob es sich hierbei nicht auch um Inside-Jobs (also um eine verdeckte, geheimdienstliche Mission) gehandelt haben soll, könne nicht getroffen werden.

Ganser spricht mit Vorliebe über „verdeckte Kriegsführung“ – und das vor ausgewähltem Publikum. So wie im Juli 2014 auf Einladung der „Anti-Zensur Koalition (AZK)“. Das ist ein Forum für und von EsoterikerInnen, VerschwörungstheoretikerInnen und HolocaustleugnerInnen. Ivo Sasek, der Gründer der AZK, lud nur ein Jahr vor Gansers Auftritt Sylvia Stolz ein. Sie ist die Lebenspartnerin des früheren RAF-Anwalts und Nationalsozialisten Horst Mahler. Rund 2000 geladene Gäste dankten der Holocaustleugnerin damals mit standing Ovations.

Neben Beiträgen auf Russia Today diskutierte Ganser auch in der Zeitschrift „Compact“ des Nationalbolschewisten Jürgen Elsässer mit dem Rechtsextremisten Karl-Heinz Hoffmann über das Oktoberfestattentat 1980: Der Attentäter Gundolf Köhler stand der neonazistische Wehrsportgruppe Hoffmann nahe. Ganser sieht auch hier Hinweise auf eine heimliche Verstrickung einer „NATO-Geheimarmee“.

Goldman Sachs und George Soros als angebliche Hauptverantwortliche hinter Fluchtbewegungen

Bartunek hat es übrigens schon einmal geschafft, den “Star der Szene” Ganser nach Wien zu holen: 2014 ins Wiener Odeon Theater. Damals sprach er über die Hintergründe von 9/11Doch nicht alle werden mit einem Auftritt des Szenesternchens beehrt: Am 8. Mai diesen Jahres sollte Ganser beim Aktivisten-Verein Mittelstandsforum der neurechten Alternative für Deutschland (AfD) auftreten. Zwei Monate vor dem geplanten Event sagte Ganser den Auftritt jedoch ab, da  ein Informationskrieg herrsche und verschiedene Medien versuchen würden, „die AfD in die rechte Ecke zu rücken” (!).

Im Oktober 2016 sprach Ganser bereits als Vortragender auf einem Kongress des neurechten Kopp-Verlags. Mit dabei: Der für antisemitische Verschwörungstheorien bekannte Autor Peter Orzechowski. Weiters saß die Autorin Friederike Beck am Podium. Ihr ebenfalls im Kopp-Verlag erschienenes Buch Die geheime Migrationsagenda weist Goldman Sachs und George Soros als Hauptverantwortliche hinter Fluchtbewegungen aus dem Nahen Osten aus. Kein Wunder also, dass das dem deutschen Nachrichtenmagazin Zuerst! gefällt. Laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) ist Zuerst! als rechtsextrem zu verorten. Das „Magazin für deutsche Interessen“ bietet den wichtigsten Köpfen des organisierten Rechtsextremismus eine publizistische Heimat: Von Björn Höcke (AfD) über Martin Lichtmesz bis Holger Apfel (NPD) hat dort jeder schon mal was geschrieben. Daniele Ganser liefert auch anderen neurechten Postillen gerne mal ein paar Artikel. So publiziert er auch im Kai Homilius Verlag, der seit 2010 das von Elsässer mit herausgegebene Compact Magazin verlegt.

Den ganzen Beitrag auf Semiosis lesen