Sonntag, 03.02.2019 / 10:42 Uhr

Ein lehrreicher Patzer

Von
Martin Jander

Die AfD macht keinen Hehl daraus, dass sie eine andere Republik anstrebt. Sie will die Bundesrepublik in eine „illiberale Demokratie“ verwandeln, Europa auflösen und von seinen westlichen Bündnispartnern trennen. Der parlamentarische Arm der neuen völkischen Bewegung strebt all das an, was historisch als der antiuniversalistische deutsche Sonderweg gilt. Selbst das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD zum Prüffall erhoben. 

Anstatt sich die Abgeordneten der Partei nach allen Regeln seiner Kunst zur Brust zu nehmen, hielt Broder eine „einerseits, andererseits“ - Rede. Statt dass er den Antisemitismus der Partei, ihren Antiamerikanismus, ihre Homophobie, Frauenfeindlichkeit sowie Rassismus und durchgängigen Anti-Humanismus geißelte, bediente er die Selbststilisierung der AfD als Opfer einer angeblichen Diktatur der GutmenschenBroder erlaubte Alice Weidel auch, die gelungene Umarmung des ehemals „gesellschaftlich relevanten Berufsprovokateurs“ (R. Volkmann über Broder), bildlich zu dokumentieren. 

Den Verweis auf Linke, Grüne und Islamisten setzt Broder als Ablenkung von den klar erkennbaren antiuniversalistischen Zielen der AfD ein. Exakt mit dieser Technik suchen AfD und andere selbst ihr Projekt der Verwandlung der Bundesrepublik in eine „illiberale Demokratie“ zu vernebeln.

Dass Broder Rede und Auftritt verpatzte, kommt nicht von ungefähr. Er selbst hätte sicher nie von einem „links-rot-grün-versifften 68er Deutschland“ gesprochen, hat jedoch erlaubt, dass einer der Erfinder dieses Schmähworts (Akif Pirincci) auf seinem Blog („Achse des Guten“) solche und andere Formulierungen in die Welt setzte. Broder hat in einem eigenen Beitrag des Blogs („Wir bekommen die Krätze geschenkt“) zumindest nahegelegt, dass der Anstieg bestimmter Krankheiten, ein Ergebnis der großen Anzahl von Asylsuchenden aus Syrien und anderen Gesellschaften sei.  Es ließen sich viele weitere Beispiele für Broders fragwürdige Interventionen der letzten Jahren anführen. Er trägt Mitverantwortung für die Verrohung des politischen Diskurses a la AfD in der Bundesrepublik.

Henryk Broder und einigen anderen Intellektuellen – Andrei Markovits, Jeffrey Herf, Dan Diner, Micha Brumlik und vielen anderen - ist es seit Mitte der 80er Jahre erfolgreich gelungen, linken Antisemitismus, linken Antiamerikanismus, die Feindschaft vieler Linker gegen den Westen und Israel, ihr großes Interesse an toten, aber nicht lebendigen Juden, ihre oft kritiklose Unterstützung islamistischer Ideologen, ihre anti-aufklärerischen Haltungen zum Thema des politischen Diskurses in der Bundesrepublik zu machen. Die Jungle World gäbe es vermutlich ohne ihre Analysen, Bücher und auch ohne Broders Provokationen gar nicht. 

Broder aber hat diese Kritik jetzt aber in eine Form des whataboutism verkehrt. Den Verweis auf Linke, Grüne und Islamisten setzt Broder als Ablenkung von den klar erkennbaren antiuniversalistischen Zielen der AfD ein. Exakt mit dieser Technik suchen AfD und andere selbst ihr Projekt der Verwandlung der Bundesrepublik in eine „illiberale Demokratie“ zu vernebeln. So konnte es Broder kaum gelingen, diejenige Partei analytisch klar zu konfrontieren, die die Hauptverantwortung für den Rechtsdrift der Bundesrepublik trägt. 

Broders „Patzer“ ist so gesehen beunruhigend lehrreich. Auch Intellektuelle, die sich beharrlich und erfolgreiche für universalistische Werte, den Westen, gegen Antisemitismus und für eine säkulare Demokratie eingesetzt haben, können gegenwärtig der Instrumentalisierung, Umarmung, durch diese nicht wirklich ganz so neue antiuniversalistischevölkische Bewegung erliegen.