Dienstag, 12.02.2019 / 17:03 Uhr

»Knud gegen Böse«, Teil Siebzehn - Ungewollte Hilfe

Von
Knud Kohr

Liebe Leserschaft jedweden Alters und Geschlechts, Ende vergangener Woche sah sich Ihr Autor einem Übermaß an Hilfsangeboten gegenüber.

 

Seit einigen Wochen ist es auch schon wieder fünf Jahre her, seitdem er in seine derzeitige Wohnung an den Gestaden der Spree eingezogen ist. Kein Grund für ausschweifende Feiereien. Es war ihm nur aufgefallen. Als er sich mal wieder beim Transfer vom Bett in den daneben stehenden Handrollstuhl verschätzt hatte. Und auf den Boden rutschte, statt die Handspanne in den Rollstuhlsitz zu schaffen. Geschieht eben alle paar Monate mal.

 

Naja. Wieder fünf Jahre älter, und da es für seine Multiple Sklerose noch immer kein Medikament gibt, wird das auch noch eine unbestimmte Zeit so bleiben.

 

Während Ihr Blogger hier so vor sich hin bloggt, hat draußen vor seinen Fenstern ein unangenehm hartnäckiger Dauerregen die Herrschaft über das Wetter in Berlin-Charlottenburg übernommen. Wahrscheinlich ist es am besten, wenn Ihr Blogger seine geschätzte Leserschaft für einige Zeit allein lässt.

 

Unten an der Tür zur Straße wartete schon ein Nachbar auf Ihren Blogger. Der Mann heißt Alexander und ist fünffacher Vater. Aber bevor Ihr Blogger sich ernsthaft die Frage zu stellen beginnt, warum er heute in jedem Absatz die Zahl „fünf“ erwähnt, konzentriert er sich lieber wieder auf das Thema, das er sich eigentlich selbst gewählt hatte. Das Übermaß an Hilfsangeboten nämlich.

 

Vorgestern Nachmittag klingelte völlig außerplanmäßig ein Mitarbeiter der Betreuungsfirma, die Ihren Blogger jeden Morgen aus dem Bett holt, ihm aber auch abends wieder hineinhilft. „Ihre Bestellung ist gerade angekommen, und da ich gerade sowieso in der Nähe war ...“, erklärte er Ihrem Blogger. Und schob einen Lifter in die Wohnung. Ein ziemlich sperriges Gerät. Einzig dazu da, Ihren Blogger zurück auf sein Lager zu hieven. Das Schweigen, das jetzt einsetzte, war so unangenehm, dass man „eine Atombombe hätte fallen hören mögen“. So hat mal vor vielen Jahren ein Kollege Ihres Bloggers geschrieben. Aber wer das war, vermöchte er vorläufig nicht zu benennen.

 

Manchmal hilft ja auch ein einfacher Blick auf die Uhr. In fünf Minuten wird es halb fünf sein. Und das an einem Sonntag, den Ihr Blogger seit Mittag mit Lohnarbeit verplemperte. „Verplempern“ ist ohnehin so ein Wort, das Ihr Blogger angenehm aus der Zeit gefallen findet. Da spürt er gleich den Impuls, an sein Bücherregal zu rollen und nach einem Werk von Victor Verplemperer zu suchen. Neulich schrieb Ihr Blogger ja mal darüber, wie er einmal mehr ein „Whiteout“ erlebte. Das aber nicht zum Anlass nahm, sofort mit der Arbeit aufzuhören. Sondern einfach weiterschrieb, und das Ergebnis danach gleich an zwei verschiedene Redaktionen mailte, die zwei Mal monatlich Kolumnen von ihm erwarten. Eine von den Kolumnen heißt, wie Sie sicherlich wissen, „Scooterman“ und schildert die Ausfahrten eines mittelalten, schwerbehinderten Mannes, der per eScooter die Gegend rund um seine Wohnung in Berlin-Charlottenburg erkundet.

 

„Alles klar?“ räusperte sich der Überbringer des Lifters zurück ins Bewusstsein Ihres Autors.

 

„Ja, klar, war nur gerade ... Naja, so ein bisschen“. Punktgenau formulierte Ihr Autor, was gerade in ihm vorging.

 

Der Betreuer schlug dem Lifter freundschaftlich gegen den Lenker.

 

„Das hier werden Se hoffentlich nie brauchen“, erläuterte der Lieferant mit einem Schlag auf die Lenkstange des Lifters. „Damit werden im Altenheim Leute transferiert, die sich überhaupt nicht mehr bewegen können. Oder Leute, die in ein Wachkoma gefallen sind. Aber wenn Sie sowas vorhaben, bekommen Sie echt Ärger mit mir“. Ohne weitere Ankündigung drehte er Ihren Blogger auf den Rücken und zog ihn halb unter den Lfter. Die nächste halbe Stunde lang war Ihr Blogger vor allem damit beschäftigt, den Stangen des Lifters auszuweichen. Dann klopfte ihm sein Besucher anerkennend auf die Schulter und verschwand. Nicht ohne ihn zuvor zurück aufs Bett zu stützen. Ihr Blogger blieb noch ein bisschen auf dem Rücken liegen. Fragte er sich tatsächlich, ob er sich in einem spontanen Wachkoma nicht vielleicht besser gefühlt hätte? Zuzutrauen wäre es ihm auf jeden Fall.