Samstag, 29.04.2017 / 13:43 Uhr

Ein Anwalt der Anklage gegen Islamismus und Appeasement

Von
Andreas Benl

Es gibt Szenen, deren Sinn weit über ihre lokale, aktuelle Bedeutung hinausgeht und die vielmehr eine historische Konstellation repräsentieren. So das vor wenigen Tagen veröffentlichte heimlich im Iran aufgenommene Video, in dem ein Student öffentlich Hassan Abbasi, einen Berater von Religionsführer Khamenei und strategischen Kopf der Revolutionsgarden angreift. Abbasi ist einer der radikalsten Propagandisten des islamistischen Terrorismus im Iran. In der Videoszene bezeichnet der unbekannte Student ihn als Verantwortlichen von „Jahren von Gefängnis, Folter und Auspeitschungen“ und als Theoretiker des Terrorismus, der den „blutrünstigen Diktator Bashar Assad“ unterstütze und die „grauenhaften, inhumanen und illegalen Massaker von 1988“ verteidige.

Die Szene hat einen Vorläufer: im Dezember 2008 griff ein anderer Student den damaligen Präsident Ahmadinejad an und bezeichnete den anwesenden Parlamentssprecher Ali Larijani als Vorsitzenden eines durch Wahlbetrug illegal zustande gekommenen Parlaments. Ein halbes Jahr später gingen Hunderttausende gegen die Diktatur auf die Straße.

Hassan Abbasi repräsentiert ein Regime, das spätestens seit dem Atomdeal von 2015 zum westlichen Partner aufgestiegen ist, während der unbekannte Student die durch Appeasement 2009 verratene Freiheit Revue passieren lässt. Vor den nun bevorstehenden Präsidentschaftswahlen unter Regimekandidaten ist die Frage offen, ob die Islamische Republik einer zweiten Amtszeit von Rohani bedarf, oder ob er seine Aufgabe entgegen aller westlichen Hoffnungen mit der Abschaffung der Iransanktionen bereits erfüllt hat. Als Alternative steht Ayatollah Ebrahim Raisi – Favorit und designierter Nachfolger des Revolutionsführers Khamenei – zur Verfügung. Ein Mann, der mit seiner Beteiligung an Massenhinrichtungen politischer Gefangener seine Nützlichkeit für das iranische Regime in stürmischen Zeiten bereits bewiesen hat, ähnlich wie einst Ahmadinejad.

Falls es im Iran wieder zu größeren gesellschaftlichen Auseinandersetzungen kommt, sollte man sich an die Videoszene mit Abbasi und dem unbekannten Studenten erinnern. Der Testfall für all die Sonntagsreden über unsere Werte und die Verteidigung der Demokratie wird dann darin bestehen, auf welche Seite sich westliche Regierungen und Gesellschaften schlagen: auf die des Regimes von „Gefängnis, Folter und Massakern“ oder auf die der Advokaten seiner Abschaffung.