Freitag, 26.01.2018 / 16:48 Uhr

Trump, Europa und der Iran

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Gastbeitrag von Matthias Küntzel

Am 12. Januar 2018 rief Donald Trump in seiner lang erwarteten Iran-Erklärung  „die Schlüsselländer Europas“ dazu auf, sich binnen 120 Tagen „den USA anzuschließen, um bedeutende Fehler im Atomdeal zu beheben, um der iranischen Aggression entgegenzutreten und um das iranische Volk zu unterstützen.“ Andernfalls werde er spätestens Mitte Mai die Nuklearsanktionen gegen Iran wieder in Kraft setzen, den Iran-Deal also verlassen.

Im Übrigen griff Trump die Hauptländer der EU gänzlich undiplomatisch an: „Unsere Alliierten sollten die Finanzierung der Revolutionären Garden und deren militanter Stellvertreter beenden“.

In lediglich zwei Punkten kam Trump den Europäern entgegen: Erstens verschob er den bereits im Oktober 2017 angekündigten Ausstieg aus dem Iran-Deal um weitere vier Monate – „jedoch nur um die Zustimmung unserer europäischen Alliierten zur Beseitigung der furchtbaren Fehler im Atomdeal sicherzustellen.“ Zweitens fordert er nicht länger eine Änderung des bestehenden Deals, sondern ein „neues ergänzendes Abkommen“, das – anders als der Atomdeal – unbefristet gelten soll. In diesem supplemental agreement soll vereinbart werden, dass der Iran mit „neuen multilateralen Sanktionen“ überzogen wird, falls er weiterhin Langstreckenraketen entwickelt, Atomkontrollen verhindert oder den Abstand zur Atombombe verringert.

Im Übrigen griff Trump die Hauptländer der EU gänzlich undiplomatisch an: „Unsere Alliierten sollten die Finanzierung der Revolutionären Garden und deren militanter Stellvertreter beenden“. Sie sollten „die Hisbollah in ihrer Gesamtheit als terroristische Organisation einstufen“ und die USA in ihrem Widerstand gegen die Weiterverbreitung iranischer Raketen sowie gegen Cyber-Angriffe und die Bedrohung der internationalen Schifffahrt unterstützen. Sie sollten das iranische Regime unter Druck setzen, um die Verletzung der Grundrechte der Bevölkerung zu beenden. Sie sollten auf Geschäfte verzichten, die die iranische Diktatur stärken. In seinem Schlusssatz spitzt Trump diesen Forderungskatalog, der von der NGO-Kampagne Stop the Bomb entworfen sein könnte, zu: „Diejenigen, die sich, aus welchem Grund auch immer, dagegen entscheiden, mit uns zusammenzuarbeiten, stellen sich damit auf die Seite des iranischen Regimes und seiner nuklearen Ambitionen – und gegen das iranische Volk und die friedlichen Nationen der Welt.“[1]

Das ist harter Tobak. Sigmar Gabriel wird nicht begeistert gewesen sein. Trumps Ultimatum hat die Europäer kalt erwischt. Die Regierungen in Berlin, London und Paris hätten „sprachlos“, aber auch „ratlos“ reagiert, heißt es in einem Bericht der FAZ. In den Folgetagen „(glühten) zwischen Berlin, London, Paris und Brüssel … die Drähte.“[2]  

Was immer man dem amerikanischen Präsidenten ansonsten vorhalten muss – mit dieser Erklärung traf er ins Schwarze, hatten sich doch Deutschland und die Europäische Union bereits in Reaktion auf die große „nationale Revolte“ (Amir Taheri) der iranischen Bevölkerung von Anfang dieses Jahres „auf die Seite des iranischen Regimes … und gegen das iranische Volk“ gestellt. Ein Vergleich der Antworten auf die große iranische Protestbewegung diesseits und jenseits des Atlantiks ist instruktiv.

Die iranische Protestbewegung unterstützen oder verraten?

Am 29. Dezember 2017, einen Tag nach Ausbruch dieser Revolte, erklärte das State Department der USA:

„Die Führer des Iran haben ein wohlhabendes Land mit einer reichen Geschichte und Kultur in einen ökonomisch ausgepowerten Schurkenstaat verwandelt, dessen wichtigste Exportgüter Gewalt, Blutvergießen und Chaos sind. Wie von Präsident Trump bereits ausgeführt, ist das am längsten leidenden Opfer der iranischen Führung das eigene Volk. Die Vereinigten Staaten verurteilen die Verhaftung von friedlich Protestierenden auf das Schärfste. Wir rufen alle Nationen dazu auf, das iranische Volk und dessen Forderungen nach grundlegenden Rechten und einem Ende der Korruption öffentlich zu unterstützen.[3]

Vier Tage später, in der Nacht zum 3. Januar, meldete sich erstmals die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, zu Wort: 

„In den letzten Tagen standen wir mit iranischen Regierungsstellen in Verbindung. Im Geiste der Offenheit und des Respekts, der Grundlage unserer Beziehung, erwarten wir von allen Betroffenen, Gewalttaten zu unterlassen und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu garantieren – dies auch im Lichte der Stellungnahmen der iranischen Regierung.“[4]

Das Subjekt des Aufstandes bleibt in dieser ersten EU-Stellungnahme ebenso unerwähnt, wie die von den Demonstranten erhobenen Forderungen. Stattdessen wird der Terror des Regimes mit den „Gewalttaten“ der Demonstrierenden auf eine Stufe gestellt, als stünden sich im Iran zwei gleichermaßen bewaffnete Armeen gegenüber.

Schahrudi soll mehr als 2.000 Todesurteile gegen teilweise noch minderjährige Kritiker des Regimes verhängt haben und gehört zu dessen namentlich bekannten Schwerverbrechern. Obwohl Strafanzeigen gegen ihn gestellt wurden, sorgten Bundesregierung und Landesbehörden dafür, dass er Deutschland am 11. Januar klammheimlich verlassen konnte.

Einige Stunden später folgte am 3. Januar eine Regierungspressekonferenz in Berlin, auf der die Bundesregierung Teheran dazu aufrief, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu achten. Gleichzeitig betonte der Sprecher des Auswärtigen Amts, „dass teilweise [iranische] Videos kursierten, die einige Jahre alt waren“, ganz so, als habe man auch am sechsten Tag der Revolte nicht wissen können, was im Iran wirklich geschah. Natürlich hätte die Bundesregierung damit drohen können, dass die deutsche staatliche Förderung von Iran-Geschäften eingestellt wird, falls Demonstrationen gewaltsam unterbunden werden. Stattdessen teilte der Regierungssprecher stolz mit, dass seit Mitte 2016 Hermesbürgschaften für Risikogeschäfte mit Iran in Höhe von 795 Millionen Euro bewilligt worden seien. Man wolle „den eingeschlagenen Weg fortsetzen“ und sei davon überzeugt, „mit dem Handel auch den Wandel in der Region voranbringen zu können.“[5]

Kurz darauf bestätigte das Auswärtige Amt, dass es dem Wunsch des Ajatollah Mahmoud Schahrudi, sich in Hannover medizinisch behandeln zu lassen, nachgekommen sei und gemeinsam mit den niedersächsischen Behörden über Wochen hinweg für dessen Schutz gesorgt habe.[6] Schahrudi soll mehr als 2.000 Todesurteile gegen teilweise noch minderjährige Kritiker des Regimes verhängt haben und gehört zu dessen namentlich bekannten Schwerverbrechern. Obwohl Strafanzeigen gegen ihn gestellt wurden, sorgten Bundesregierung und Landesbehörden dafür, dass er Deutschland am 11. Januar klammheimlich verlassen konnte.

Doch damit nicht genug. An eben diesem 11. Januar trommelte der deutsche Außenminister nicht nur seine britischen und französischen Kollegen sowie die EU-Außenbeauftragte Mogherini zu einer Sondersitzung zusammen, sondern zusätzlich Mohammad Zarif, den Außenminister Irans, um gemeinsam für den Atomdeal zu werben. Natürlich hätten sich die Minister der wichtigsten EU-Staaten zu diesem Zweck auch ohne ein Mitglied der iranischen Führung treffen können, oder man hätte als iranischen Gast Shirin Ebadi einladen können, die iranische Friedensnobelpreisträgerin, die sich hinter die Proteste der iranischen Bevölkerung gestellt hatte.

Doch dies geschah nicht. Sigmar Gabriel, der dieses Treffen nach eigener Auskunft eingefädelt hatte, wollte trotz der gewalttätigen Niederschlagung der iranischen Protestbewegung den öffentlich demonstrierten Schulterschluss mit dem Regime. Auch deshalb hatte bei den EU-Beratungen am 11. Januar und der sich daran anschließenden Pressekonferenz der drei EU-Außenminister die iranische Protestbewegung und deren Unterdrückung so gut wie keine Rolle gespielt. Es war ein unmissverständliches Signal der Entsolidarisierung, das die drei wichtigsten EU-Staaten an die iranische Protestbewegung sandten.

Wird die EU ihre Kollaboration mit den iranischen Machthabern trotz des Trump-Ultimatums fortsetzen? Um dies zu erreichen, lud jetzt das iranische Regime die Außenminister Frankreichs und Deutschlands zu Gesprächen nach Teheran ein.[7] Oder wird sich die EU auf die Seite der USA und damit gegen das Regime in Teheran stellen? Um dies sicherzustellen, wird der amerikanische Außenminister Rex Tillerson noch in der laufenden Woche London, Paris und Warschau besuchen.[8]

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