Dienstag, 22.05.2018 / 16:19 Uhr

Dieter Kunzelmann ist tot

Von
Gastbeitrag von Roland Kaufhold

Der Protagonist des „Judenknaxes“ und des linken Antisemitismus ist tot…

 

 

Dieter Kunzelmann starb am 14.5. in Berlin. In Nachrufen wird er als linke Ikone gefeiert. Als eine linksradikale 68er-Berühmtheit. An seinem Grab werden sich Teile seiner Szene versammeln, ganz vorne Hans-Christian Ströbele. Ströbele, der Anfang 1991 während des „Golfkrieges“ als Leiter einer Grünen Israel-Delegation in einem Interview mit Henryk M. Broder geäußert hatte, Saddam Husseins Raketenangriffe gegen Israel seien für ihn „die logische, fast zwingende Konsequenz der Politik Israels“ – eine Äußerung, der sich sein Freund Kunzelmann zweifelsohne angeschlossen hätte.

Immer ganz vorne

Kunzelmann, mit wirren Haaren und fragwürdigem Geschmack ausgestattet, wollte immer ganz vorne dabei sein. Heute würde man sagen: Er war gewissermaßen ein linker Marketingexperte, der dennoch sorgfältig darauf achtete, Andere, Unbedarfte die „schmutzige Arbeit“ erledigen zu lassen. 1939 in Bamberg geboren begann der Sohn eines Sparkassendirektors in Coburg eine Banklehre, brach diese jedoch ab und flüchtete nach Paris, um dort als „Clochard“ zu leben.

Anfang 1960 war Kunzelmann in München Mitglied einer Künstlergruppe, 1963 gründete er  die „subversive Aktion“, vier Jahre später ging er dann nach West-Berlin. Dort wollte er nun wirklich „im Zentrum“ stehen und schloss sich der Kommune 1 an. Wenig später flog er dort raus, seine Mitbewohner empfanden den Egomanen als zu unangenehm. Seine weiteren spektakulären „Heldentaten“ (Pudding-Bomben, Eier auf OB-Diepgen), seien nicht weiter aufgeführt. So dolle war dies alles nicht. Entscheidend, was die mentale Orientierung betrifft: Kunzelmann befand sich zeitlebens im Wettstreit insbesondere mit dem „späteren“ Neonazi und Shoahleugner Horst Mahler. Sie passten gut zueinander, zeitlebens.

Der „Judenknax“ oder: Die Begeisterung für den palästinensischen Terror gegen Juden

Kunzelmann gehörte – wie Wolfgang Kraushaar (2013) in Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel? sehr detailliert dargestellt hat – zu denjenigen innerhalb der 68er-Generation, die schon sehr früh von der Vernichtung von Juden träumten. Sie nannten sich links, man hätte sie auch als unverbesserliche Neonazis bezeichnen können. Kunzelmann wollte es jedoch nicht beim verbalen Träumen und beim linksradikalen ideologischen Kampf gegen „die Zionisten“ belassen: Es drängte ihn nach dem Kampf gegen die wenigen noch in Deutschland lebenden Juden, die „dennoch“ in Deutschland geblieben waren – 20 Jahre nach dem durch die Alliierten militärisch durchgesetzten Ende der Shoah.

Nach seinem Weggang von München nach Berlin gehörte Dieter Kunzelmann zu den Gründern der „Tupamaros West-Berlin“. Diese klandestin arbeitende linke Gruppierung bereitete sich auf Terrorattentate vor, Kunzelmann war ihr Hauptprotagonist. Berühmt wurde Kunzelmanns vulgär antisemitisches Credo vom „Judenknax, den man überwinden müsse“ sowie sein in linken Untergrundzeitschriften ab den späten 1960er Jahren verbreiteter antisemitischer Kampfaufruf: „Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?“, titelgebend für Kraushaars materialreiche Studie (876 S.) über die – wie es im Untertitel heißt – „antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus“.

Militärische Ausbildung bei der Fatah in Amman

Am 5.10.1969 reiste Kunzelmann mit vier weiteren Linken (aus dem Umfeld der Bewegung 2. Juni, RAF, Revolutionäre Zellen) von Syrien aus zuerst in die jordanische Hauptstadt  Amman, sie wohnten dort in einem Hotel. Danach gingen sie in ein unweit gelegenes Trainingscamp der palästinensischen Terrorgruppe Fatah – also der Todfeinde der Israelis. Empfangen wurden sie von zwei der wichtigsten Mitglieder der PLO, was verwundern könnte. Es spricht dafür, dass sich Kunzelmann in palästinensischen Kreisen bereits einen gewissen Ruf als entschiedener Feind von Juden erworben hatte. In seinen 1998 veröffentlichten Erinnerungen schrieb Kunzelmann, sprachlich eher unbeholfen aber gespeist durch Selbstidealisierungen wie auch durch das Bemühen um strafrechtliche Selbstentlastung: „Auf unseren Wunsch verbrachten wir eine Woche bei einer Elite-Einheit, die in der Jordan-Senke (…) gründlichst politische Schulungen durchführte, verbunden mit einer soliden Ausbildung an Waffen. An ersterer beteiligten wir uns begeistert und waren erstaunt über die dort vorhandene Kenntnis in europäischer Geschichte. Bei der Ausbildung an der Kalaschnikow gab ich sehr schnell auf: ich konnte kein einziges Mal nach dem Auseinandernehmen der Waffe sie auch nur annähernd wieder zusammensetzen. Bei meinen Schießübungen bestand nicht nur für mich, sondern auch für alle Umstehenden allerhöchste Gefahr.“ (Kraushaar 2013, S. 252)

Kraushaar (S. 333) schreibt, dass Kunzelmann und seine vier Berliner Genossen „an Waffen wie z.B. einer Kalaschnikow ausgebildet und in verschiedenen Praktiken zur Herstellung von Sprengsätzen und der Konstruktion von Zeitzünderbomben unterwiesen wurden.“ 17 Tage später, am 22.10.1969, reisen vier der fünf Linksradikalen, darunter auch Kunzelmann, nun ausgestattet mit militärischem Wissen und Fertigkeiten, wieder nach Berlin zurück. 18 Tage später erfolgte der heimtückische Bombenanschlag auf die wenigen noch in Berlin lebenden Juden: 250 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde hatten sich bei der Gedenkfeier im Berliner Jüdischen Gemeindehaus versammelt. Es war eine gemeinsame Erinnerung an die exakt 31 Jahre zurückliegenden Novemberpogrome in Deutschland – der Auftakt der systematischen Ermordung von sechs Millionen Juden durch Deutsche. Nun versuchen deutsche Linke, mit dem obligatorischen guten Gewissen, innerer Emphase und einer selbstentlastenden ideologischen Überformung, das Vernichtungswerk ihrer Elterngeneration zum Abschluss zu bringen.

Um dies nachzutragen: Eine aus der Fünfergruppe, die 1944 geborene Ingrid „Ina“ Siepmann, hingegen blieb bei der Fatah in Amman. Sie wurde nach Kraushaar zur „wichtigsten Verbindungsperson zwischen den sich in West-Berlin formierenden Tupamaros und der Fatah werden.“ (S. 333) Siepmann hatte seit dem Juni 1969 – nach Kunzelmanns wenig rühmlichem Rauswurf aus dem Kommune 1 – bei den „Haschrebellen“ mitgemacht. Später beteiligte sie sich an Banküberfällen, wurde 1974 zu 13 Jahren Haft verurteilt und 1975 von der Bundesregierung gegen den entführten Peter Lorenz ausgetauscht. Seitdem lebte sie in einem Ausbildungslager der PFLP. 1982 ist sie wohl als Mitglied einer palästinensischen Frauenbrigade im Libanonkrieg ums Leben gekommen (Kraushaar, S. 364).

Später kam es wohl noch zu weiteren Ausbildungsfahrten deutscher Linksradikaler in militärische Lager von Fatah und PFLP. Die Faszination der Kinder der nationalsozialistischen Mördergeneration am gezielten Töten von Juden muss ausgeprägt gewesen sein. Der „sozialistische“ Anstrich, den sich die Fatah (und später die PLO) gaben, war eher Folklore. Faktisch war die Fatah eine strikt nationalistische Gruppierung, die bei niemandem so unbeliebt war wie bei den arabischen „Bruderländern“.

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