Freitag, 11.01.2019 / 16:40 Uhr

Assad und das niedergebrannte Land

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Aus dem Netz

Auf Qantara erschien ein Essay von Elias Khory über den Sieg Assads über ein verbranntes Land:

Das Regime begann mit dem Niederbrennen des Landes, noch bevor die Opposition einen ersten Schuss abgab. Die Blumen, die friedliche Aktivisten wie Ghiath Matar syrischen Soldaten zusteckten, wurden vom Regime beantwortet, indem man der Familie des jungen Mannes seinen geschundenen Leichnam übergab. Auf die friedlichen Demonstrationen in Deraa wurde reagiert, indem man den 14-jährigen Hamza Al-Khatib zu Tode folterte, und in Hama schnitt man dem Volkssänger Ibrahim Qashush den Kehlkopf heraus, bevor man seine Leiche anschließend in den Orontes warf.

Assad und sonst niemand. Assad ist niemand.

Nie zuvor wurden Panzer in einer solchen Weise zur Niederschlagung von Demonstrationen eingesetzt, und nie war eine Staatsmacht gewalttätiger als das Regime von Assad Junior, der offenbar das Massaker von Hama 1982, die Lahmlegung der syrischen Gesellschaft und die Liquidierung der Opposition im Schreckensgefängnis von Palmyra als das eigentliche Vermächtnis seines Vaters ansieht.

Die Barbarei, mit der das Regime das Land niederbrennt, ist auch deshalb durch nichts zu rechtfertigen, weil diese völlig überzogene Gewalt nicht nur die Niederschlagung von Demonstrationen und die Erstickung von Protesten zum Zweck hatte, sondern darauf abzielt, der syrischen Bevölkerung eine Lektion zu erteilen, die sie "auf ewig" nicht mehr vergessen soll.

Ewigkeit, das weiß man, ist das Ziel aller Machtbesessenen und die Schwäche aller Despoten. Wahn brachte schon Kaiser Caligula dazu, zu verkünden, er trachte nach dem Mond – zumindest in einem Theaterstück von Albert Camus –, und in einem Bühnenstück von Eugène Ionesco ist der letzte Wunsch des Königs auf dem Sterbebett die Unsterblichkeit.

Aber die despotische Fantasie von Präsident Assad Senior übertraf die aller seiner Vorgänger: Irgendwann las man auf den Jubeltransparenten nicht mehr nur "Assad auf ewig", sondern er wurde mit "Präsidenten auf ewig und die Zeit danach" tituliert.

Was nach der Ewigkeit kommt, hatte ich mir nie vorstellen können. Erst seitdem ich sehe, wie Baschar al-Assad die Ewigkeit seines Vaters praktiziert, indem er Syrien niederbrennen und zerstören lässt, und indem er sich jetzt, im Anschluss an die Ewigkeit, erneut zur Wahl gestellt hat, um nun weiter über die Ruinen zu regieren, verstehe ich, was damit gemeint gewesen sein könnte. "Assad oder wir brennen das Land nieder".

Die Shabbiha-Milizen, ihre russischen und iranischen Verbündeten und ihnen ergebene Banden haben dieses Ziel bereits erreicht. Und nicht nur das. Sie haben noch dazu islamistische Banden ins Land gelockt, die genauso despotisch und rücksichtslos gegen das syrische Volk vorgehen wie sie selbst. Da’ish und Nusra lassen grüßen.

Es ist übrigens unerlässlich, das letztgenannte Phänomen genauer zu ergründen. Denn eines Tages wollen wir verstehen, wie es in Syrien so weit hat kommen können, und irgendwann muss auch die Führung der Opposition und der Freien Syrischen Armee zur Verantwortung dafür gezogen werden, dass solche Banden ins Land kamen. Was nicht heißen soll, dass wir dabei die Rolle von Petrodollars aus dem Golf, die niederen Beweggründe für die Haltung des Westens und die vulgären Motive derjenigen in Syrien, die darauf gesetzt haben, dass der Westen dem Kampf für Freiheit in ihrem Land beistehen wird, ausblenden sollten.

Die Alternative war also angeblich: Assad oder das Land wird abgebrannt. Nun ist das Land abgebrannt und die Bevölkerung zerstreut – wozu dann jetzt eigentlich noch Assad? Denn "oder" sollte ja eigentlich bedeuten, dass es brennen musste, weil Assad nicht mehr zu halten war. Aber das Regime hat offenbar sein eigenes grammatisches Verständnis.Und die Despotie ging noch weiter und praktizierte eine weitere Devise: "Assad oder keiner!" Denn wenn "ewig" heißt, Syrien niederzubrennen, dann muss die Zeit danach etwas sein, das sich nur ein krankes Hirn ausdenken kann. Es geht heute nicht mehr nur um Blutvergießen. Jetzt gibt es nur noch ein Ziel: Endlose Rache an dem Sklaven, der es gewagt hat, sich seinem Herren zu widersetzen. Die uneingeschränkte Unterstützung, die das Regime nach wie vor von außen erhält, hat es ihm ermöglicht, dieser zweiten Devise zu folgen. (...)

Assad und sonst niemand. Assad ist niemand. Er ist ein nebelhaftes Wesen, das in Blut und auf Leichen schwimmt und behauptet, Präsident einer Republik zu sein, die es nicht mehr gibt.

Das ist sie, die Zeit nach der Ewigkeit, die uns seine Mannen auf Jubelbannern vor den Toren von Tripoli einmal verheißen haben. In Tripoli, jener alten libanesischen Stadt der Bedrängnis und des Gemetzels, die noch immer mit dem Blut ihrer Bewohner dafür zahlt, dass Assad auf ewig und auch noch danach regiert.