Sonntag, 26.05.2019 / 23:21 Uhr

An der syrischen Grenze hat die Zukunft längst begonnen

Von
Thomas von der Osten-Sacken

An der syrisch-türkischen Grenze wird dieser Tage gerade demonstriert, wie die Zukunft europäisch orchestrierter Flüchtlingspolitik aussehen wird:  Man verhindert einfach, dass Menschen zu Flüchtlingen werden, dann gibt es auch keine Flüchtlingskrise mehr. Mit tätiger finanzieller Mithilfe der EU nämlich hat die Türkei eine quasi unüberwindbare Grenzanlage errichtet und lässt aus Syrien nun einfach keine Menschen mehr hinein:

„Mindestens 200.000 weitere Zivilisten sind vor den Boden- und Luftangriffen des russischen Regimes in Nordwestsyrien geflohen, dem letzten großen Oppositionsgebiet des Landes. Die Vereinten Nationen und die Union of Medical Care and Relief Organisations (UOSSM) sagten jeweils am Donnerstag, dass weitere Flüchtlingsströme durch eine russische Offensive in der nördlichen Provinz Hama und durch Bombenangriffe auf die benachbarte Provinz Idlib erzwungen worden seien. Die UNO hat die Zahl seit Ende April auf mehr als 200.000 geschätzt, während die UOSSM mehr als 300.000 geschätzt hat. (…)

 

 

In Idlib und dem nördliche Hama leben schätzungsweise 3 Millionen Menschen – 20% der restlichen Bevölkerung Syriens – viele von ihnen wurden durch Angriffe des Assad-Regime aus anderen Teilen Syriens vertrieben. Die meisten der kürzlich in die Flucht Getriebenen haben an der Grenze zur Türkei Zuflucht gesucht. Da die dortigen Lager bereits überfüllt sind, sind neue Lager in der Nähe der Grenzmauer entstanden. Einige Menschen sind dazu gezwungen, unter Bäumen zu schlafen.“

Man braucht nur eine Mauer und den Willen, die Menschen notfalls einfach sterben zu lassen. Und schon gehen die Flüchtlingszahlen dramatisch zurück.

Derweil bombardieren syrische Armee und verbündete Russen die Provinz Idlib, zerstören systematisch Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen. Auch Giftgas kam wohl erneut zum Einsatz. Eigentlich ist Idlib eine Schutzzone, auch für Hunderttausende so genannte Internally Displaced, also Syrerinnen und Syrer, die schon aus anderen Teilen des Landes geflohen sind. Viele von ihnen müssen sich nun erneut auf den Weg machen, um dann vor einer Grenzmauer zu enden. Die immerhin schützt sie notdürftig vor Bombenangriffen, denn so nahe an der Türkei fliegen die syrische und russische Luftwaffe keine Einsätze:

„Die nur wenige hundert Meter entfernte Grenzmauer bietet Tausenden von Menschen eine gewisse Deckung, da Luftangriffe so nah an der Türkei selten sind. Aber sie blockiert auch jede Chance, vordem Konflikt zu fliehen und zu den Millionen von Flüchtlingen in Ausland zu stoßen. ‚Die Türkei ist heute unsere einzige Option‘, sagte Abu Abdallah, 51, der sein Dorf zu Beginn des Krieges im Jahr 2011 verließ, um Zufluchtsort in der Nähe der Stadt Qalaat al-Madiq zu suchen, bis es Anfang Mai von syrischen Regierungstruppen erobert wurde.“

Im  UN-Sicherheitsrat debattieren sie im neunten Jahr dieses Krieges die Lage in Idlib, die Europäer warnen vor einer Eskalation. Und das war es dann auch. Die Zukunft findet derweil an der syrisch-türkischen Grenze statt und jeder kann zuschauen, wie einfach es ist, künftig die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen. Man braucht nur eine Mauer und den Willen, die Menschen notfalls einfach sterben zu lassen. Und schon gehen die Flüchtlingszahlen dramatisch zurück.