Montag, 09.12.2019 / 08:39 Uhr

Erzwungene Geständnisse im Iran

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Mit erzwungenen Geständnissen will das iranische Regime beweisen, dass die jüngsten Demonstrationen vom Ausland gesteuert wurden – ein altbekanntes Mittel nahöstlicher Diktaturen.

Wie sie sich doch alle gleichen, diese Nahostdespotien, ganz egal, ob sie für sich reklamieren, angeblich säkular und im Namen der arabischen Einheit ihre Bevölkerung zu malträtieren, wie dies im Irak unter Saddam Hussein und heute noch in Syrien der Fall ist, oder sich auf Gott berufen und ihn gar zum Souverän erheben, wie in der Islamischen Republik Iran.

Das Regime in Teheran entschied jüngst, dass Familien für in den Protesten getötete Angehörige die Kugeln zu zahlen hätten. Dies war auch im Irak vor allem zu Zeiten der wöchentlich stattfindenen Massenexekutionen im berüchtigten Abu Ghraib Gefängnis gängige Praxis. Wer die Leiche des Angehörigen wiederhaben wollte, musste für die Kugeln zahlen.

Wer glaubt heute noch erzwungenen öffentlichen Geständnissen, dass hinter den Demonstrationen, die spontan von Benzinpreiserhöhungen ausgelöst wurden, Zionisten und Imperialisten steckten?

Besonders beliebt sind auch öffentliche Geständnisse, die vom Fernsehen übertragen werden. Geschätzte 8.000 Menschen wurden im Iran inhaftiert, weil ihnen Teilnahme an den Demonstrationen vorgeworfen wird. Wie immer gehört Folter in den Gefängnissen dazu. Schließlich hatten ranghohe Unterstützer und Mitglieder des Regimes sogar öffentlich dazu aufgerufen, „Unruhestifter“ zu quälen und langsam zu Tode zu bringen.

Genau der Präsident Hassan Rohani, der laut westlichen Medien so moderat und irgendwie sympathisch sei, kündigte nun an, dass eine Reihe von Geständnissen im iranischen Fernsehen gezeigt werden sollen. Gesagt, getan:

„Nur wenige Stunden, nachdem Hassan Rohani angekündigt hat, dass im Fernsehen Geständnisse von Menschen ausgestrahlt werden, die an den jüngsten Protesten teilgenommen haben, veröffentlichte die Webseite Mashhad Sobh-e Toos den ersten Teil einer Dokumentation über Geständnisse von Menschen, die in Masshad festgenommen worden waren, Irans zweitgrößter Stadt.

‚Sie werden in den Geständnissen sehen, dass die Ausschreitungen schon zwei Jahre lang geplant haben‘, sagte Rohani (…) am Mittwoch, dem 4. Dezember. ‚Sie wollten die Proteste in den letzten Tagen des Dey [Januar und Februar] starten, im Vorfeld der Wahlen, aber ihre Herren aus Übersee sagten, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt. Mit diesen Leuten muss man fertig werden.‘“

Im Irak, wo Schauprozesse und öffentliche Geständnis jahrzehntelang zur Herrschaftspraxis des Regimes gehörten, hieß es dann immer, diese Inszenierungen dienten dazu, das „Volk über die Natur seiner Feinde zu erziehen“. Nicht anders ist es im Iran, wo nun Menschen öffentlich gezwungen werden, auf erniedrigende Art und Weise das Narrativ des Regimes zu bestätigen, dass es sich bei den Demonstranten nur um vom Ausland, vor allem von den USA und Israel, angestiftete und gesteuerte Aufwiegler gehandelt habe.

Was dieser Tage im Iran geschieht, ist keineswegs neu, sondern leider nur eine Fortführung des Terrors, mit dem dieses Regime seit Jahrzehnten im Innern regiert. Neu ist allerdings, wie panisch und schnell es auf die jüngsten Proteste reagiert hat – früher hat es sich mit solchen Inszenierungen länger Zeit gelassen.

Die Frage ist freilich: Wer glaubt heute noch erzwungenen öffentlichen Geständnissen, dass hinter den Demonstrationen, die spontan von Benzinpreiserhöhungen ausgelöst wurden, Zionisten und Imperialisten steckten? Was das Regime da abzieht, wirkt getrieben und hilflos und wird ihm bestenfalls ein bisschen Zeit verschaffen sowie ein wenig mehr Angst und Schrecken verbreiten. Einzig und allein darauf fußt seine ganze noch verbliebene Macht. Je angeschlagener sie sind, diese nahöstlichen Despotien, umso mehr schlagen sie um sich – und umso blutiger wird ihre zu Ende gehende Herrschaft.