Dienstag, 18.02.2020 / 09:19 Uhr

Deutsche Außenpolitik: Erfrieren statt Schießen

Von
Thomas von der Osten-Sacken

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(Friedensmacht Deutschland, Bildquelle: Ebay)

 

Deutsche Außenpolitik ist aus vielerlei Gründen eine Farce. Sie lässt sich inzwischen auf eine Aussage von Ex-Außenamtschef Sigmar Gabriel reduzieren, der kurz vor der Libyenkonferenz in Berlin nicht etwas von der Interesselosigkeit Deutschlands, das ja auch angeblich keine Kolonialmacht gewesen sei, twitterte, sondern ernsthaft den Satz schrieb: „Reden ist immer besser als als Waffen liefern und schießen.“

Eine Erkenntnis, die sicher bei Vierjährigen in einem evangelischen Kindergarten auf große Zustimmung stoßen würde, in einer Welt, in der allerdings die, die schießen, momentan überall das sagen haben, bestenfalls müde belächelt wird.

Außerdem zeigt nicht nur die unselige Geschichte des 20. Jahrhunderts, ganz besonders die des Zweiten Weltkrieges, dass der dieser Satz auch noch falsch ist: Es gab leider genügend Situationen, in denen Schießen und Waffenliefern durchaus besser als Reden gewesen wäre. Dazu müsste man zum Beispiel lediglich einen der wenigen noch lebenden Überlebenden des Warschauer Ghetto-Aufstandes fragen.

Selbstverständlich gilt dies natürlich nicht für all die Waffen, die Deutschland dieser Tage ganz selbstverständlich liefert, auch wenn es sich als interesselose Friedensmacht inszeniert:

Die deutschen Rüstungsexporte könnten (2019) einen neuen Spitzenwert erreichen. Bis Ende September stiegen die Ausfuhrgenehmigungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 75 Prozent auf 6,35 Milliarden Euro. Damit nähert sich das Exportvolumen den bisherigen Rekordwerten aus den Jahren 2015 und 2016 von 7,86 beziehungsweise 6,85 Milliarden Euro an.

Die mit Abstand meisten Exporte wurden mit 1,77 Milliarden Euro für den EU- und Nato-Partner Ungarn genehmigt. Die dortige rechtsnationale Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán rüstet derzeit massiv auf und will die Verteidigungsausgaben verdoppeln.

Dahinter folgt das an der von Saudi-Arabien geführten Kriegsallianz im Jemen beteiligte Ägypten mit 802 Millionen Euro. Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ist ein weiteres Land aus diesem Bündnis, das gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen kämpft, unter den Top Ten der Empfängerländer. Mit 206 Millionen Euro stehen die VAE auf Platz neun.

So wie der EX-Außenminister der SPD gefällt sich auch sein Nachfolger darin, vollmundige Erklärungen abzugeben, die mit der Realität nur bedingt Berührungspunkte haben.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz äußerte er sich „am Rande“ zu Syrien, wo sich gerade eine der größten humanitären Katastrophen der letzten Dekaden abspielt:

Deutschland erwarte von Moskau, seinen Einfluss auf die syrische Regierung zu nutzen, damit die Angriffe beendet würden, sagte Maas am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz nach Treffen mit den Außenministern der Türkei und Russlands, Cavusoglu und Lawrow. 

Weiß man im deutschen Außenamt etwa nicht, dass es russische Flugzeuge sind, die seit Jahren systematisch zivile Infrastruktur zerbomben? Wurde Maas nicht informiert, dass Deutschland sogar im September eine Vorlage bei der UN mit einreichte, in der genau dieses Bombardement hätte verurteilt werden sollen, die dann natürlich an einem Veto Russlands scheiterte?

Natürlich weiß er das alles, schließlich ist er Außenminister des größten Landes Europas. Er macht nur deutsche Außenpolitik und die basiert auf systematischer Realitätsverleugnung.

Natürlich weiß er, dass ohne russische und iranische Hilfe die maroden Truppen Assads keinen Kilometer voran kämen und ihr Vormarsch nur erfolgreich ist, dank der russischen Luftwaffe. Er weiß auch, dass die 800.000 Flüchtlinge die Moskau und Damaskus da gerade produziert haben, Menschen die jetzt eisiger Kälte ohne Versorgung ausgesetzt sind, Russland als Waffe dienen, die EU und Deutschland weiter unter Druck zu setzen, schließlich soll ja keiner von ihnen nach Europa kommen.

Aber nicht einmal ein Wort der Kritik an dieser Politik kommt über Maas Lippen.

Verrat ist schließlich auch besser als Schießen. Und all dies ist einfach ein Verrat an all den Syrern, die einst geglaubt haben, die „Freunde Syriens“ jenes absurde westliche Staatenbündnis, das vor einigen Jahren zum Sturz Assads aufrief, hätte es damit ernst gemeint. Auch Deutschland war ein Teil dieses Bündnisses. Wer jetzt in Idlib erfriert, hatte vielleicht den Fehler gemacht, als sie oder er gegen Assad auf die Straße ging darauf zu vertrauen, dass die wichtigsten Staaten Westeuropas und die USA es nicht zulassen würden, dass einfach Millionen zu Flüchtlingen und Vertriebenen gemacht wurden.

Aber schon damals hieß es ja immer aus Berlin, Krieg sei keine Lösung, nur Diplomatie. Die Erfolge dieser Diplomatie sieht man nun in den verwüsteten Städten Nordwestsyriens. Dem antizipierten  Sieg Assads wird dann etwas folgen, dass deutsche Kommentatoren vermutlich Frieden nennen werden. Für die Menschen in Idlib allerdings, die eingezwängt zwischen EU-finanzierter Grenzmauer zur Türkei und den vorrückenden Truppen der syrisch-russisch-iranischen Allianz sich auf einem immer kleiner werden Gebiet zusammendrängen, weil offenbar kaum einer sich Assad ergeben will, wird bald gelten, das es schlimmeres als Krieg gibt. Wenn sie dann noch reden können und noch nicht erschossen worden sind oder erfrieren mussten.

Aber Erfrieren ist sicher auch besser als Schießen.

Immerhin können sich deutsche Außenpolitiker dieser Tage glücklich schätzen, nicht alleine dazustehen. So wie sie reden eigentlich alle in Europa. Und inzwischen nicht nur da:

Der amerikanische Präsident Donald Trump hat sich für mehr Zurückhaltung Russlands im Syrien-Konflikt ausgesprochen. In einem Gespräch mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan sagte Trump nach einer Mitteilung des Weißen Hauses vom Sonntag die Vereinigten Staaten wünschten, dass Russland seine Unterstützung „für die Gräueltaten des Regimes“ von Baschar al Assad beende. Er sprach sich zugleich für eine politische Lösung des Konflikts aus.