Dienstag, 10.03.2020 / 22:55 Uhr

Corona in Lesbos

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Nun ist es offiziell: Corona hat die griechische Insel erreicht.

 

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(Hauptstrasse des Camps, Bild: Thomas v. der Osten-Sacken)

 

Seit Sonntag abend ist es eingetreten: Der erste Fall von Corona wurde auf Lesbos diagnostiziert.

Da ich mich selbst gerade auf der Insel aufhalte und wenig Zeit zum Schreiben finde, ein paar Zitate.

Aus einer Erklärung von Wadi:

"Weltweit befinden sich Flüchtlinge in besonderer Gefahr; häufig werden sie bei Notfallplänen übersehen und schon beim Zugang zum Gesundheitswesen sind sie im Nachteil. Flüchtlinge haben oft keinen Zugang zu lokalen Ärzten und es ist möglich, dass sie aus Angst vor Abschiebung oder anderen Konsequenzen nicht ins Krankenhaus gehen. Das Leben in enger Nähe, wie in einem Camp, ist eine ideale Voraussetzung für das Virus, sich wochenlang zu vermehren, bis es zu spät ist.

Auf Lesbos haben Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen aufgrund desaströser hygienischer Zustände, des Mangels an Trinkwasser, fehlender sauberer Toiletten, ungeklärten Abwassers, des Zeltlebens in Regen und Kälte und unzureichender Gesundheitsversorgung früh auf ein ernstes Pandemierisiko im Moria Camp hingewiesen. Diese Umstände machen präventive Maßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen fast unmöglich. 

Die Einheimischen leben seit fünf Jahren im Krisenmodus. Eine weitere Krise halten sie nicht durch. Die Leute können nicht mehr

Hier bestehen also die perfekten Bedingungen für den Virus, maximalen Schaden anzurichten – an einem Ort, der sich ohnehin schon an der Grenze der Belastbarkeit befindet und am den nun der erste Fall von Corona nachgewiesen worden ist."

Und aus einem Artikel der Welt von heute:

"Die wenigen Toiletten (in Moria) sind total verdreckt, der Müll türmt sich. Es grassieren Krankheiten und Gewalt ist an der Tagesordnung. 40 Prozent der Bewohner von Moria sollen Kinder sein. (..)

„Corona allein ist schon ein großes Problem“, sagt Michal Aivaliotis, der Direktor der Volkshochschule. „Aber wir auf Lesbos haben jetzt zwei Probleme: Corona - und die Menschen in Moria. Wenn sich das Virus ausbreitet, haben wir hier eine Katastrophe.“  (...)

Einer, der vor den Folgen einer Ausbreitung warnt, ist Thomas von der Osten-Sacken. Der Deutsche ist Geschäftsführer der im Nahen Osten tätigen Hilfsorganisation Wadi, arbeitet als Publizist (..) Seit zweieinhalb Jahren berät er die griechische Nichtregierungsorganisation (NGO) „Stand by me Lesvos“, die Bildungsprojekte für Migranten anbietet und dessen Vorsitzender Schulleiter Aivaliotis ist.

„Die Einheimischen leben seit fünf Jahren im Krisenmodus. Eine weitere Krise halten sie nicht durch. Die Leute können nicht mehr“, sagt von der Osten-Sacken, am Montag in einem Café auf dem Sappho-Platz in Mytilini. „Wenn sich jetzt Corona hier ausbreitet, kommt es zum absoluten Kollaps. Es ist unmöglich, eine solche Situation unter Kontrolle zu bekommen. Wir haben hier einen Notfall.“

Nach Ansicht des Deutschen ist die einzige Möglichkeit, die Krise abzumildern, die Mehrheit der Migranten aus Moria sofort zu evakuieren. „Sie müssen nach Europa gebracht werden“, sagt von der Osten-Sacken. (...)

Es ist eine Forderung, die Lesbos’ Einheimische seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholen, auf die aber auch jetzt aller Voraussicht nach nicht eingegangen werden wird."