Samstag, 15.08.2020 / 12:33 Uhr

Idlib: Islamisten verhaften bekannten islamistischen Journalisten

Von
Philipp Thiée

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 (Bilal Abdul Kareem; Bildquelle: Facebook)

In der Geschichte mancher Personen zeigt sich deutlich, dass die Realität komplexer ist als ideologische Gewissheiten. Eine dieser Personen ist der Journalist Bilal Abdul Kareem. Dieser wurde jetzt am 13.08.2020 in der Region Idlib durch den Al Kaida Nachfolger HTS festgenommen. Kareem ist der wohl einzige aus dem Westen stammende Journalist, der seit Jahren unmittelbar aus den Rebellengebieten in Syrien berichtet hat. 2015 gründete er den Kanal On the Ground News. Auch für diesen Blog hier ließ sich Kareem interviewen. 

Durch andere Syrienkenner wurde der als Darrell Lamont Phelps geborene US-amerikanische Konvertit und Ex-Standupcomedian als Sprachrohr der Al Kaida bezeichnet. Dagegen hat er sich immer gewehrt. Trotz seiner klaren Parteinahme für eine islamische "Revolution" gegen das Assad Regime hat er immer wieder auch über die Mängel im Justizsystem in den von Rebellen gehaltenen Gebieten berichtet. Z. B. die mit der säkularen Revolutionionären gegen das Baathregime sympathisierende Journalistin Jenan Moussa konnte sich, dass Kareem aus dem Gebiet der Islamisten unbehelligt berichteten, nur damit erklären, dass er selber Mitglied der damaligen Al Nusra Front sei. 

Kareem wurde vor allem bekannt für seine Berichterstattung aus dem belagerten Aleppo 2016. Zu dieser Zeit war er gern gesehener Interviewpartner z. B. von CNN und anderen großen TV-Stationen. Dies zog ihm den Unmut der russischen Propaganda  zu und eine Erwähnung des Assadregimes als ausländischer Agent durch das syrische Regime. Er selber verklagte wiederum die US Regierung, da er Anhaltspunkte dafür hatte, dass er auf der Kill-List des US-amerikanischen Drohenprogrammes stand und als US-Bürger zur außerlegalen Tötung ausgeschrieben sei. Wie kaum ein anderer versucht er zunächst das "wer will was von wem und warum?" zu verstehen, statt durch das zusammenbasteln von Versatzstücken mit der Frage des "Cui bono?" in Verschwörungsphantasien abzugleiten.  

in den letzten Tagen berichtete er vermehrt über das Schicksal von Taquir Sharif - einem islamistischen ExPat, der humanitäre Arbeit in Idlib geleistet haben soll. Dieser war durch die Behörden von HTS festgenommen worden. Unter Auflagen eines Gerichtes wurde er Haftverschont. Kareem veröffentlichte ein Interview mit Sharifs Frau, die behauptete, ihr Mann sei gefoltert worden. Es sei eine Gerichtsauflage, dass er darüber nicht öffentlich sprechen dürfe. Nun sind erst Sharif wieder und dann Kareem in Haft genommen worden.   

Es ist nicht das erste Mal, dass Kareem Folter in den Gefängnissen islamistischer Rebellen thematisierte. Schon vor Jahren interviewte er enttäuschte syrische Juristen auf Seiten der Rebellen, die statt einer erhofften "islamischen Gerechtigkeit", die sie suchten, nur erneute Willkürherrschaft von Milizen beobachteten. Kareem versucht durch seine Darstellung der unterschiedlichen Rebellengruppen und ihrer Differenzen eine Öffentlichkeit in einem Post-Baath-Syrien zu errichten. Dabei sucht er, beseelt von der Vorstellung einer objektiven Gerechtigkeit, im konservativen Islam dem Maßstab der Gerechtigkeit. Lange wurde dies von den jeweils Herrschenden islamistengruppen toleriert. Nun muss HTS sich mit der Türkei arrangieren, die ihr Garant ist und für die sie eine Hypothek ist. Offensichtlich stört ein Ex-Comedian jetzt, wenn er nicht nur die Konfliktlinien auf English in die Außenwelt vermittelt, sondern über Korruption und Folter auch für Syrer interessantes berichtet. HTS kann sich als islamistischer Statthalter eines riesigen Flüchtlingscamp gegenüber der Türkei nur halten, wenn sie vermitteln kann, dass ein großer Teil der syrischen Bevölkerung hinter ihr steht. So werden sie auch die letzten wahrhaft suchenden Entäuscht. 

 OGN berichtet nun von außerhab Syriens. Um einen erkenntnisbringenden Blickwinkel und die Vorstellung von Öffentlichkeit auf die syrische Katastrophe nicht zu verlieren sollte man auf Freiheit für Bilal Abdul Kareem hoffen.