Interview

2011/39 Gesine Lötzsch im Gespräch über den Zustand der Partei »Die Linke«

»Wir müssen uns nicht fürchten«

Einer parteiinternen Analyse zufolge endete das Wahljahr 2011 mit seinen insgesamt sieben Landtagswahlen »ernüchternd« für die Linke. Sie wird nur noch an einer Landesregierung beteiligt sein. Auch im Bund käme die Linkspartei Umfragen zufolge lediglich auf sechs bis neun Prozent der Stimmen. Die »Jungle World« sprach vor dem Programmparteitag, der vom 21. bis 23. Oktober in Erfurt stattfinden soll, mit Gesine Lötzsch über den Zustand ihrer Partei. Die Bundestagsabgeordnete hat seit Mai 2010 zusammen mit Klaus Ernst den Bundesvorsitz der Linkspartei inne.

2011/38 Gregor Podnar im Gespräch über die slowenische Kunst- und Kulturszene

»Slowenien hat sich reprovinzialisiert«

Zwischen 1996 and 2003 war Gregor Podnar Kurator der renommierten Škuc Gallery in Ljubljana. 2003 eröffnete er im Rahmen der Künstler-Assoziation DUM in Kranj seine eigene Galerie, die später nach Ljubl­jana umzog. Fünf Jahre später eröffnete er seine zweite Galerie in Berlin, wo er heute hauptsächlich lebt. Podnar vertritt viele internationale Künstler, die meisten aus Osteuropa, darunter auch das slowenische Künstlerkollektiv Irwin, welches neben der Band Laibach die wichtigste Gruppe der Neuen Slowenischen Kunst (NSK) war.

2011/36 David Berger, Theologe, im Gespräch über den Papst und die Homophobie in der katholischen Kirche

»Diese Homophobie ist beispiellos«

Bei der vom Bündnis »Der Papst kommt« organisierten Demonstration gegen die »menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik der römisch-katholischen Amtskirche« aus Anlass des Besuchs von Benedikt XVI. in Berlin wird auch Dr. ­David Berger eine Ansprache halten. Der Theologe und Philosoph machte in der katholischen Kirche Karriere. Nach seinem Coming-out im April 2010 und dem Erscheinen seines Buchs »Der heilige Schein: Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche« im November 2010 (inzwischen 6. Auflage), in dem er die katholische Kirche für ihre Homophobie kritisiert, entzog ihm die Erzdiözese Köln die Lehr­erlaubnis als Religionslehrer.

2011/35 Katharina Hamann und Sebastian Kirschner im Gespräch über 20 Jahre Conne Island in Leipzig

»Spaß geht immer«

Das Conne Island wurde vor 20 Jahren im Leipziger Stadtteil Connewitz als Ort für Politik und Kultur erkämpft. Seitdem finden dort Konzerte und politische Veranstaltungen statt, es gilt als wichtiger Anlaufpunkt für die linke Szene. Zum 20jährigen Jubiläum gibt es ein Festprogramm mit Konzerten, Ausstellungen und Diskussionen, außerdem erscheint im Verbrecher-Verlag das Buch »20 YRS – Noch lange nicht Geschichte«. Die Jungle World sprach mit Katharina Hamann und Sebastian Kirschner vom »Projekt Verein e.V. Conne Island« über 20 Jahre Kulturbetrieb und Politik.

2011/33 Martin Klingner im Gespräch über die Prozesse um Entschädigungen im Fall Distomo

»Die BRD erkannte das Urteil nicht an«

Als Vergeltungsschlag gegen Partisanenangriffe ermordete die SS am 10. Juni 1944 218 Einwohner im griechischen Distomo und brannte das Dorf nieder. Für die Überlebenden des Massakers und für die Hinterbliebenen fordert der AK Distomo Entschädigungen. Die Reparationsleistungen an Griechenland klammerten explizit Opfer von Massakern aus. Die Leistungen wurden nur anteilig von deutscher Seite gezahlt, mit dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag von 1990 wurden die Zahlungen ganz ausgesetzt. Über die Frage, ob Opfer dennoch Anspruch auf Entschädigung haben, wird im September vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verhandelt. Jungle World sprach mit Martin Klingner, der sich seit zehn Jahren im AK Distomo engagiert und als Anwalt Überlebende vertreten hat.

2011/32 Deborah Edel im Gespräch über die Lesbian Herstory Archives in New York

»Die Definition von Frauen kann sich ändern«

Mitte der siebziger Jahre gründeten Aktivistinnen der Gay-Liberation-Bewegung in New York die Lesbian Herstory Archives, eine Mischung aus Bibliothek, Museum und politischem Zentrum. Sie sollten der Unsichtbarkeit lesbischer Kultur und dem, auch innerhalb der Gay-Bewegung, patriarchalen Blick darauf eine eigene Sichtweise entgegensetzen und lesbisches Selbstbewusstsein stärken. Zunächst befand sich das Archiv in der Wohnung von Joan Nestle, einer der Gründerinnen, in Manhattan. Anfang der neunziger Jahre wurden eigene Räume im New Yorker Stadtteil Brooklyn bezogen. Deborah Edel gehörte zu den Mitbegründerinnen der Lesbian Herstory Archives und ist heute noch dort und anderweitig politisch aktiv. Jungle World sprach mit ihr in New York.

2011/31 Judit Geller im Gespräch über Antiziganismus in Ungarn

»Wir hoffen, dass die Situation nicht eskaliert«

Im Frühjahr patrouillierten im ungarischen Gyöngyöspata wochenlang Bürgerwehren und andere rechtsextreme Gruppierungen (Jungle World 14/11 und 18/11). Von der Polizei ungestört, bedrohten sie die lokale Roma-Minderheit, bis Evakuierungen nötig wurden. Der amtierende Bürgermeister trat zurück. Bei den Neuwahlen wurde am 17. Juli Oszkár Juhász, der Kandidat der rechtsextremen Partei Jobbik, zum Bürgermeister gewählt. Gyöngyöspata ist nun der vierte Ort, der von Jobbik regiert wird. Jungle World sprach mit Judit Geller vom European Roma Rights Center (ERRC) in Budapest. Sie arbeitet seit 2007 für diese NGO, die die Situation der Roma in Europa beobachtet.

2011/29 Emanuel Matondo im Gespräch über die deutschen Wirtschaftsinteressen in Angola

»Es geht um die Korruption«

1990 floh Emanuel Matondo als Kriegsdienstverweigerer nach Deutschland. 2001 wurde sein Asylantrag anerkannt. Mit seiner Familie lebt mit er heute in Köln. Der Menschenrechts- und Friedensaktivist ist unter anderem einer der Gründer der Angolanischen Antimilitaristischen Menschenrechtsinitiative (IAADH e.V.) und Auslandskorrespondent der unabhängigen angolanischen Wochenzeitung »Folha 8«. Mit der Informationsstelle Südliches Afrika arbeitete er am aktuellen Dossier »Deutsche Wirtschaftsinteressen in Angola«.

2011/28 Gustavo Gallón im Gespräch über die Gewalt der Paramilitärs in Kolumb

»Der Konflikt existiert«

Gustavo Gallón Giraldo ist Direktor der kolumbianischen Juristenkommission und einer der prominentesten Kritiker der Menschenrechtspolitik der Regierung. Im »Friedensprozess« war er als unabhängiger Experte unter anderem für die 1991 gegründete Kommission zur Überwindung der Gewalt tätig. In dem seit mehr als 60 Jahren andauernden Bürgerkrieg stehen die kolumbianische Regierung und von ihr unterstützte paramilitärische Gruppen zwei Guerilla­organisationen gegenüber. Der ehemalige kolumbianische Präsident Álvaro Uribe Vélez ging äußerst repressiv gegen die Guerilla, aber auch gegen jegliche zivile Opposition vor. Sein konservativer Nachfolger ist Juan Manuel Santos.

2011/27 Hadi Ghaemi im Gespräch über den Kampf für Menschenrechte im Iran

»Veränderung muss vom Iran selbst ausgehen«

Hadi Ghaemi hat im Jahr 2008 die »Internationale Kampagne für Menschenrechte im Iran« gegründet, die auf ihrer Website www.iranhumanrights.org seither regelmäßig Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen im Iran veröffentlicht. Mit der Kampagne soll eine Verbindung zwischen der Menschen- und Bürgerrechts­bewegung im Iran und der internationalen Öffentlichkeit hergestellt werden. Bereits vor der Niederschlagung der Protestbewegung im Jahr 2009 warnte Ghaemi vor der fortschreitenden Verschlechterung der Menschenrechtssituation unter dem Mullah-Regime.