Interview

2011/26 Nico Voigtländer im Gespräch über die Geschichte des Judenhasses in deutschen Städten

»Pogrome als Indikator«

»Persecution perpetuated – the medieval origins of anti-semitic violence in Nazi Germany« – so heißt eine Studie, die die Wirtschaftswissenschaftler Hans-Joachim Voth und Nico Voigtländer kürzlich veröffentlicht haben. Das Ergebnis der Untersuchung: Der Judenhass in Deutschland hat auf lokaler Ebene 600 Jahre überdauert. In Städten, in denen sich im Mittelalter Pogrome gegen Juden ereigneten, wurden zur Zeit der Weimarer Republik häufiger antisemitische Gewalttaten verübt und mehr Wählerstimmen für die NSDAP abgegeben als in Städten, die im Mittelalter ihre jüdische Bevölkerung in Frieden ließen. Nico Voigtländer ist Assistenzprofessor an der University of California in Los Angeles und hat mit der Jungle World über die Studie gesprochen.

2011/25 Kerstin und Sandra Grether im Gespräch über die feministische Protestform »Slutwalk«

»Es ist der Beginn einer neuen Bewegung«

Slutwalks, die Märsche der »Schlampen« gegen das »Victim Blaming« bei sexualisierter Gewalt, sind in den vergangenen Monaten zu einem globalen Phänomen geworden. Ein Gespräch mit den Musikerinnen und Autorinnen Kerstin und Sandra Grether von der Gruppe Slutwalk Berlin über die Inhalte und die Form eines neuen feministischen Protests.

2011/24 Syrische Blogger im Gespräch über die Entwicklung der Revolte und die Repression in Syrien

»Es wäre ein Desaster«

Der syrische Blogger Nour* schreibt auf thefreemen.wordpress.com über die Demokratiebewegung des Landes. Auch die syrische Bloggerin Raida* widmet ihren lesbisch-feministischen Blog razaniyat.blogspot.com seit Beginn der Revolte in Syrien vor allem dem Protest gegen das Regime.

2011/23 Jane Schuch im Gespräch über die Lage von Sinti und Roma in Deutschland

»Eine subtilere Form von Ausgrenzung«

Fast 40 Prozent der über 51jährigen Sinti und Roma in Deutschland haben niemals eine Grundschule besucht. Die alltägliche Diskriminierung und das kollektive Trauma, das die Verfolgung durch die Nationalsozialisten hinterlassen hat, verringern die Teilhabe an der Bildung für die Minderheit erheblich. Die deutschen Sinti und Roma leiden unter einer Bildungsmisere – das ist das Fazit einer von der Organisation Romno Kher geleiteten Studie, in der Sinti und Roma ihre eigene Bildungssituation erforscht haben. Die Jungle World sprach mit Jane Schuch, Mitautorin der Untersuchung und Diplompädagogin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaften der Humboldt-Universität Berlin.

2011/22 Kajsa Ekis Ekman im Gespräch über die Debatte um die Legalisierung von Prostitution in Schweden

»Prostitution ist keine normale Arbeit«

Die schwedische Literaturwissenschaftlerin Kajsa Ekis Ekman hat im Herbst 2010 das Buch »Varat och varan. Prostitution, surrogatsmödraskap och den delade människan« (Ware und Sein. Prostitution, Leihmutterschaft und der geteilte Mensch) veröffentlicht. Ihre pauschale Kritik der Prostitution und ihre Ablehnung des Begriffs »Sexarbeit« hat in der schwedischen Öffentlichkeit, gerade auch unter Linken, heftige Diskussionen ausgelöst. Ekman wurde zu über 60 Veranstaltungen in ganz Schweden eingeladen.

2011/21 Philip White im Gespräch über die Anti-AKW-Bewegung in Japan

»Die Menschen wollen Klarheit«

Die Live-Ticker sind aus dem Internet verschwunden und nur noch selten sieht man Bilder des havarierten Atomkraftwerks in Fukushima auf den Titelseiten deutscher Zeitungen. In Japan ist die Atomkatastrophe jedoch weiterhin ein bestimmendes Thema, vor allem für die dortige Anti-AKW-Bewegung. Ihre wichtigste Organisation ist das Citizens’ Nuclear Information Center (CNIC). Philip White war bei der Organisation bis vor kurzem für die internationale Zusammenarbeit zuständig. Zurzeit ist er dort als freiwilliger Mitarbeiter tätig.

2011/20 Ezzat Boulos im Gespräch über die Gewalt gegen die koptische Minderheit in Ägypten

»Ich hoffe, dass die Täter bestraft werden«

In Ägypten kommt es immer wieder zu Gewalt zwischen radikalen Muslimen und der Minderheit der Kopten. Ezzat Boulos ist koptischer Christ mit Schweizer Pass und ägyptischen Wurzeln. Er ist Hauptverantwortlicher der Online-Zeitung Copts United, die unter anderem über die Diskriminierung der koptischen Minderheit berichtet und sich als zivilgesellschaftliches Medium versteht, das sich an alle Ägypter wendet.

2011/19 Rüdiger Portius im Gespräch über den »Warnschussarrest«

»Der Warnschussarrest ist Pipifax«

Der Täter schlug sein Opfer nieder und trat mehrmals gegen dessen Kopf. Die Tat wurde von einer Überwachungskamera eines Berliner U-Bahnhofes aufgezeichnet. Der jugendliche mutmaßliche Täter stellte sich, wurde aber zunächst auf freien Fuß gesetzt. Boulevardzeitungen reagierten daraufhin empört, Politiker forderten einen »Warnschussarrest«. Schon im Koalitionsvertrag hatten sich FDP und CDU/CSU darauf geeinigt, ein Gesetz für einen solchen Arrest auf den Weg zu bringen. Viele Richter und Anwälte stehen dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Die Jungle World sprach mit Rüdiger Portius, der als Anwalt jugendliche Straftäter vertritt und Vorsitzender des Vereins »Freie Hilfe Berlin« ist, der Menschen Hilfe anbietet, die straffällig geworden sind.

2011/18 Eszter Jovánovics im Gespräch über die Bürgerwehren gegen Roma in Ungarn

»Der Staat trägt die Verantwortung«

Im ungarischen Dorf Gyöngyöspata bedrohen rechtsextreme Paramilitärs seit Wochen die dort lebenden Roma. Am Dienstag voriger Woche kam es daraufhin zu einer Massenschlägerei mit vier Verletzten. Die Rechtsextremen spielen sich in Gyöngyöspata als Ordnungsmacht auf, kontrollieren die Roma und warfen Steine auf ihre Häuser (Jungle World 14/2011). Weil die rechtsextreme parami­litärische Gruppe Vederö (Wehrtruppe) die Einrichtung eines Ausbildungscamps mit Schusswaffen angekündigt hatte, verließ die Mehrheit der lokalen Roma über Ostern zeitweilig mit Bussen des Roten Kreuzes das Dorf. Die Jungle World sprach mit der Anwältin Eszter Jovánovics. Sie koordiniert das Roma-Programm der Organisation TASZ, die sich für Bürgerrechte einsetzt und in Gyöngyöspata die Lage beobachtet.

2011/17 Manfred Sing im Gespräch über die arabische Linke und die Proteste im arabischen Raum

»Auch die arabische Linke ist verwirrt«

Was machen die linken Organisationen in den Revolutionen Tunesiens, Ägyptens und der anderen arabischen Länder? Schließen sie sich den Revolten an? Halten sie zum jeweiligen Regime? Wie halten sie es mit den Islamisten? Manfred Sing ist Islamwissenschaftler und forscht über die Transformation kommunistischer Akteure im Nahen Osten.