Interview

2011/16 Ein Gespräch mit dem syrisch-kurdischen Studentenaktivisten Bêkas A. über die Proteste in Syrien

»Für Reformen ist es zu spät«

Seit Mitte März finden in Syrien regelmäßig Demonstrationen gegen das Regime statt, mindestens 200 Menschen sollen dabei von Sicherheitskräften getötet worden sein, mehrere hundert wurden inhaftiert. Auslöser der Proteste waren Ereignisse in der Stadt Dara’a im Süden des Landes. Dort wurden Anfang März mehrere Jugend­liche festgenommen, weil sie regimekritische Parolen an Hauswände gesprüht hatten. Am 19. März gingen die Bewohner Dara’as auf die Straße und verlangten die Freilassung ihrer Kinder – stattdessen töteten Sicherheitskräfte sechs Demons­tranten. Die Proteste haben sich seither auf ganz Syrien ausgeweitet, in der Nacht zum Dienstag demonstrierten 10 000 Menschen in Homs. Bêkas A.* ist Soziologiestudent aus al-Qamischli und Mitglied der neu gegründeten »Koalition kurdischer Jugendgruppen« (Itilaf), die sich an den Protesten beteiligt. Das Interview wurde per Handy geführt. Bêkas hat sich zu diesem Zweck ein türkisches Mobiltelefon ausgeliehen, das von den syrischen Sicherheitsdiensten nicht abgehört werden kann.

2011/15 Alex Lipowski von den jungen liberalen im Gespräch über den Rücktritt von Westerwelle und die Zukunft der FDP

»Westerwelle musste weg!«

Alex Lipowski ist Vorsitzender der Jungen Liberalen Nordberlin. Der 22jährige Nachwuchspolitiker wird bei der kommenden Landtagswahl im Herbst für die FDP als Direktkandidat im Wahlkreis Reinickendorf 2 kandidieren.

2011/14 Alexej Jablokov, Strahlenbiologe im Gespräch über die Folgen der Tschernobyl-Katastrophe und die Lage in Fukushima

»Frösche sind nicht radiophob, erkranken aber trotzdem«

Ende April jährt sich der Super-Gau in Tschernobyl zum 25. Mal. Dass der Jahrestag dieses Mal besonders große Aufmerksamkeit erhält, verdankt sich der derzeit noch andauernden Katastrophe im AKW Fukushima. Da deren Folgen unabsehbar sind, hoffen die einen, die derzeitige nukleare Katastrophe werde »nicht so schlimm wie Tschernobyl«. Andere befürchten, die Folgen des Unfalls in Fukushima könnten »noch schlimmer als Tschernobyl« sein. Doch wie gravierend waren die Auswirkungen der Reaktor-Katastrophe in der Ukraine wirklich? Bis heute schwanken die Angaben über die Zahl der Todesopfer der Tschernobyl-Katastrophe und gehen weit auseinander. Die Jungle World sprach mit dem russischen Strahlenbiologen und prominenten Umweltschützer Alexej Jablokov, der sich mit den gesundheitlichen Folgen der Tschernobyl-Katastrophe beschäftigt.

2011/13 Chris Kühn im Gespräch über den Wahlsieg der Grünen in Baden-Württemberg

»Sehr integrierend«

Nach 57 Jahren wurde die CDU am Wochenende in Baden-Württemberg als Regierungspartei von den Grünen abgelöst. Chris Kühn ist Landesvorsitzender der Grünen. Die Jungle World sprach mit ihm über die Gründe des Erfolgs, bevorstehende politische Veränderungen und den zukünftigen Ministerpräsidenten.

2011/12 Yamileth Chavarría im Gespräch über Gewalt gegen Frauen und staatlichen Machismo in Nicaragua

»Ich bin dann die Hexe«

Man nennt sie auch die »Nachrichtenhexe«. Jeden Morgen weckt die Radiomoderatorin Yamileth Chavarríá die Bewohner von Bocana de Paiwas im ländlichen Nicaragua mit wenig erfreulichen Nachrichen über Frauen, die geschlagen und misshandelt, missbraucht und vergewaltigt wurden. Sie nennt die Namen der Täter und beendet das Schweigen über die Gewalt gegen Frauen, die in Nicaragua selten verfolgt wird. Dabei erlebt statistisch gesehen jede dritte Frau in dem mittelamerikanischen Land Gewalt, in vielen Fällen verübt vom eigenen Vater oder Ehemann. Allein 2010 wurden 89 Nicaraguanerinnen ermordet – weil sie Frauen waren. Die Jungle World sprach mit Chavarríá über den gewaltbereiten Machismo in Staat und Familie und die Notwendigkeit von Feminismus mitten im Dschungel.

2011/11 Chiara Volpato im Gespräch über Rassismus in der italienischen Politik und die Parallelen zum Faschismus

»Die Ähnlichkeit ist erschreckend«

Die Propaganda der italienischen Regierungspartei Lega Nord ist von Stereotypen aus der faschistischen Vergangenheit geprägt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Fakultät für Psychologie der Universität Mailand-Bicocca, die die Bildsprache der »Rassenpolitik« des Faschismus mit der ausländerfeindlichen Wahlpropaganda der rechten Partei verglichen hat. Chiara Volpato hat das Forschungsprojekt geleitet.

2011/10 Im Gespräch mit dem ungarischen Philosophen Sándor Radnóti über die Hetzkampagne ungarischer Medien gegen ihn und einige Kollegen

»Sie schaffen die Demokratie ab«

Seit Anfang Januar führen die der Regierung nahe stehenden ungarischen Medien eine Hetzkampagne gegen sechs ungarische Philosophen, die mit einem in der Budapester Tageszeitung Magyar Nemzet veröffentlichten Artikel unter der Schlagzeile »Die Hellers haben eine halbe Milliarde Forint verforscht« begann. Angegriffen wurden international bekannte Philosophen wie Ágnes Heller, Mihály Vajda, György Gábor, Kornél Steiger, György Geréby und Sándor Radnóti. Der Vorwurf lautete: Sie hätten Forschungsmittel zweckentfemdet. Der Abrechnungskommissar der Regierung, Gyula Budai, der auch Abgeordneter der rechten Regierungspartei Fidesz ist, leitete eine Untersuchung ein. Dass die Vorwürfe in Wahrheit politisch motiviert sind, wird von der Regierung und den entsprechenden Medien kaum verborgen. Radnóti wurde Mitte Februar mitgeteilt, dass die Untersuchung gegen ihn eingestellt werde. Der 1946 geborene Philosoph, Kritiker und Professor der Ästhetik an der Universität Budapest hat zwölf Bücher publiziert, darunter »The Fake. Forgery and its Place in Art« (1999).

2011/08 Julia Lemmle im Gespräch über die feministische Performancegruppe »Muschiballett«

»Wir könnten das auch als Fachvortrag machen«

Die feministische Performancegruppe »Muschiballett« ackert sich mit vollem Körpereinsatz durch die patriarchale Kultur­geschichte: Ein knapp 50minütiger Soundtrack gibt den Rhythmus vor, nach dem die Künstlerinnen Julia Jarque y Jörg, Julia Lemmle und Ines Kramaric alias Gisa, Gerdrun und Gudula live auf der Bühne eine Art sportliche Form feministischer Diskursanalyse betreiben. Die Jungle World sprach mit Gerdrun vom Muschiballett über sexistische Kontinuitäten in der Populär- und Hochkultur und den Feminismus im Allgemeinen.

2011/07 Maryam Namazie im Gespräch über die britische Kampagne gegen die Sharia-Gerichte

»Auch Schweigen kann rassistisch sein«

Seit den frühen achtziger Jahren gibt es in Großbritannien Sharia-Gerichte, in denen vor allem in Scheidungsfragen und anderen Bereichen des Familienrechts in­offiziell Recht gesprochen wird. Seit 2007 existieren zudem sogenannte Muslimische Schiedsgerichte (MAT), die als rechtlich anerkannte Schlichter fungieren. Die im Dezember 2008 gegründete Kampagne »One Law for All« setzt sich in Großbritannien gegen die Sharia-Gerichte und andere Formen religiöser ­Gerichtsbarkeit ein, da deren Rechtsprechung keine Gleichheit vor dem Gesetz kenne und sich nicht an den Menschenrechten orientiere.

2011/06 Abolfazl Eslami im Gespräch über die iranische Außenpolitik

»Sie müssen verstehen, sie fürchten sich sehr«

Insgesamt 22 Jahre diente Abolfazl Eslami der Islamischen Republik als Diplomat. Der Absolvent der iranischen Diplomatenschule gehörte zum ersten Jahrgang des nachrevolutionären diplomatischen Korps und war während seiner Amtszeit unter anderem mit den Nuklearverhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem Iran sowie mit dem Fall der im Evin-Gefängnis zu Tode gefolterten iranisch-kanadischen Journalistin Zahra Kazemi befasst. Er setzte sich 2005 nach Japan ab, wo er mittlerweile mit seiner Familie lebt. Im Interview mit der Jungle World berichtet er Interna aus der iranischen Außenpolitik.