Interview

2011/05 Sayed Yaqub Ibrahimi, afghanischer Journalist im Gespräch über den deutschen Einsatz in Afghanistan

»Die Deutschen sind Teil des Krieges«

Der 30jährige Reporter Sayed Yaqub Ibrahimi arbeitet für das britische »Institute for War and Peace Reporting« (IWPR) und für mehrere Tageszeitungen und Internetmedien in Afghanistan. Seine Berichterstattung über Menschenrechtsverbrechen von Warlords, über Korruption und organisierte Kriminalität haben ihn international bekannt gemacht – und zu einem Verfolgten. Seit vier Monaten lebt er nach zahlreichen Morddrohungen wieder im Ausland.

2011/04 Thilo Weichert im Gespräch über die Neufassung des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung

»Wir können nicht alles beim Alten lassen«

Nachdem das Bundesverfassungsgericht im März 2010 die Vorratsdatenspeicherung in ihrer damaligen Form für verfassungswidrig erklärt hat, kam Ende des Jahres von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der Vorschlag für eine Neufassung des Gesetzes (Jungle World 49/10). Nun wird der Justizministerin unter anderem von den Grünen vorgeworfen, sie wolle eine »Vorratsdatenspeicherung light« einführen. Dem Innenminister Thomas de Maizière (CDU) geht dagegen der Entwurf lange nicht weit genug. Die Jungle World sprach mit Thilo Weichert, dem schleswig-holsteinischen Landesbeauftragten für Datenschutz.

2011/03 Charles A. Small im Gespräch über den deutschen Streit um Antisemitismus und Islamfeindschaft

»Es gibt einen blinden Fleck in der deutschen Forschung«

Charles A. Small ist Gründer und Leiter der Initiative für das interdisziplinäre Studium des Antisemitismus an der Universität Yale im US-Bundesstaat Connecticut. Als sie 2006 ins Leben gerufen wurde, war die am Institut für Sozial- und Politikwissenschaften beheimatete Initiative die erste universitäre Einrichtung in Nordamerika mit diesem Studiengebiet. Im August vorigen Jahres wurde Small zum Präsidenten der Internationalen Vereinigung für Antisemitismus-Studien gewählt.

2011/02 Marcel Walldorf erzählt, wie er auf die Idee kam, ein Kunstwerk über eine pinkelnde Polizistin zu machen

»Lieber Geschlechtsorgan als Staatsorgan«

Die Dresdner Kunsthochschule stellt derzeit eine lebensgroße Plastik einer Polizistin in Kampfmontur aus, die hockend auf den Boden pinkelt. Das Werk des Kunststudenten Marcel Walldorf hat große Empörung hervorgerufen, Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) hält das »sogenannte Kunstwerk« für eine »Beleidigung der Polizistinnen« und für eine »Verletzung der Menschenwürde«. Walldorf erhielt für seine Figur einen Kunstpreis der Leinemann-Stiftung und dank eines Berichts in der Bild-Zeitung jede Menge Aufmerksamkeit.

2011/01 Antonio José Brack Egg im Gespräch über Umweltkonflikte in Peru

»Die Umweltaktivisten machen es sich leicht«

Obwohl es in Peru seit Jahrzehnten drängende ökologische Probleme gibt, existiert dort erst seit zweieinhalb Jahren ein Umweltministerium. Es wurde 2008 mit deutscher Hilfe errichtet. Antonio José Brack Egg, ein mittlerweile 70jähriger prominenter Agrarwissenschaftler, Ökologe und Forscher im Bereich der Biodiversität, ist der erste peruanische Umweltminister. Wie geht sein Ministerium mit den immer wieder eskalierenden Umweltkonflikten zwischen Landwirtschaft und Bergbau, zwischen der Bevölkerung und internationalen Konzernen um?

2010/50 Enisa Salcinovic im Gespräch über Angelina Jolies Regiedebüt und Vergewaltigungen im Bosnien-Krieg

»Angelina Jolie ist eine liebenswürdige Frau«

Hollywood-Star Angelina Jolie hat sich für ihr Regiedebüt heiklen Stoff ausgesucht: den Bosnien-Krieg der neunziger Jahre. Für großen Protest in Bosnien-Herzegowina sorgte das Gerücht, dass sich im Drehbuch zu Jolies Film eine bosnische Muslimin, die in einem Internierungslager gefangen ist, in ihren serbischen Vergewaltiger verliebt. Vor allem Bakira Hasecic, Vorsitzende der Organisation »Žene žrtve rata« (»Weibliche Kriegsopfer«), die sich den Opfern systematischer Vergewaltigungen widmet, hatte heftig gegen Jolies Filmprojekt protestiert. Doch nicht alle Opferorganisationen lehnen den Film ab. Enisa Salcinovic von der Organisation »Savez Udruženja Logoraša« (»Vereinigung der Internierten«) widerspricht Hasecic und wirft ihr nationalistische Stimmungsmache vor.

2010/49 Karl Brenke im Gespräch über mangelnde Arbeitskräfte und die Attraktivität des deutschen Arbeitsmarktes

»Das regelt der Markt«

Die Arbeitgeberverbände warnen vor einem Fachkräftemangel. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sprach im Oktober gar davon, dass sich die Lohnabhängigen aufgrund mangelnder Arbeitskräfte in manchen Bereichen künftig auf 45-Stunden-Wochen einstellen müssten. Angesichts dessen überraschte ein Bericht des als den Arbeitgebern nahestehend geltenden DIW, in dem der Arbeitsmarktexperte Karl Brenke schrieb, einen Fachkräftemangel gebe es nicht. Im Nachhinein wurde Brenkes Bericht vom DIW abgeschwächt. Etwa, weil Kritik an Positionen der Arbeitgeberverbände beim DIW unerwünscht ist?

2010/48 Marlies Sommer vom Bündnis »...ums ganze« im Gespräch über den Kongress »So wie es ist, bleibt es nicht!« in Bochum

»Wir werben für ein linksradikales Projekt«

Am Wochenende findet in der Ruhr-Universität Bochum der Kongress »So, wie es ist, bleibt es nicht!« zu Arbeit und Krise statt. Veranstaltet wird er von dem linken bundesweiten Bündnis » … ums Ganze«, in dem Gruppen wie TOP Berlin, Autonome Antifa F und die Gruppe Gegenstrom aus Göttingen organisiert sind. Marlies Sommer von TOP Berlin ist Sprecherin des Bündnisses. Das Kongress-Programm findet sich im Internet unter: kongress.umsganze.de

2010/48 Frederik Stjernfelt im Gespräch über Aufklärung, rechte Nationalkultur und linken Multikulturalismus

»Der Kulturalismus ist eine reaktionäre Kraft«

Der dänische Autor Frederik Stjernfelt, Jahrgang 1957, ist Professor am Zentrum für Semiotik an der Universität von Aarhus. Er arbeitet außerdem als Kritiker für die Wochenzeitung Weekendavisen aus Kopenhagen und für die dänische Zeitschrift Kritik. Zusammen mit Jens-Martin Eriksen hat er ein vielbeachtetes Buch zur Kritik des Kulturalismus verfasst, aus dem kürzlich Auszüge auf Deutsch übersetzt bei perlentaucher.de veröffentlicht wurden.

2010/47 Mina Ahadi im Gespräch über die Affäre um die im Iran verhafteten deutschen Journalisten

»Die iranische Justiz ist eine Mordmaschine«

Am Montag voriger Woche wurden zwei deutsche Journalisten, die Mitte Oktober im Iran verhaftet worden waren, im ira­nischen Fernsehen vorgeführt. Sie waren bei dem Versuch festgenommen worden, die Familie der zur Steinigung verurteilten Sakineh Mohammadi Ashtiani zu interviewen. Die Vorsitzende des »Internationalen Komitees gegen Steinigung«, Mina Ahadi, hatte den Journalisten den Kontakt zur Familie Ashtianis vermittelt. Dem ira­nischen Fernsehen zufolge werfen die inhaftierten Deutschen Ahadi vor, sie habe sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in den Iran geschickt, um von ihrer Verhaftung zu profitieren. Mina Ahadi ist Gründerin des Internationalen Komitees gegen Steinigung, Vorsitzende des deutschen Zentralrats der Ex-Muslime und Mitglied des Politbüros und des Zentralkomitees der Arbeiterkommunistischen Partei Irans.