The Revolution Will Not Be Televised

Gewerkschaftsfunktionäre und NGO-Vertreter geben sich als Sprecher der globalisierungskritischen Bewegung. Gleichzeitig aber organisiert sich eine radikale Bewegung, die mit direkten Aktionen und
Streiks die Basis für eine neue antikapitalistische Linke aufbaut.

David McNally hat den Slogan des Weltsozialforums zu einem Buchtitel gemacht (David McNally: »Another World is Possible – globalization and anti-capitalism«, 2002, Arbeiter Ring Publishing, Winnipeg, Kanada). In seinem Buch analysiert er die neoliberale Globalisierung als kapitalistische Strategie, die zwar die Bewegungsfreiheit des Kapitals größer, aber nicht den Warenverkehr internationaler gemacht hat. Im Ergebnis sei Globalisierung ein »Mechanismus zur Umverteilung von Reichtum von den Armen zu den Reichen«.

Die Antigloblisierungbewegung, die er lieber »global justice movement« nennt, vergleicht er mit der Bewegung gegen den Vietnamkrieg, aus der die neue Linke hervorging. Er sieht das Potenzial, diesmal die Fehler dieser alten neuen Linken zu vermeiden, nämlich die Sozialdemokratisierung einerseits und den Zerfall in sektenhafte ML-Parteien andererseits.

McNally ist Hochschullehrer für Politik an der York University in Toronto, Kanada, und Aktivist in der New Socialist Group, die sich von den autoritären und bürokratischen Traditionen des Stalinismus abgrenzt und sich für einen demokratischen »Sozialismus von unten« einsetzt.

Viele Einschätzungen der so genannten Antiglobalisierungsbewegung kranken daran, dass sie deren Komplexität ignorieren und die innere Dynamik und die Widersprüche der Bewegung nicht analysieren. Es gibt grundlegende Unterschiede zwischen der Politik von Gewerkschaftsfunktionären und NGO-Vertretern, die sich oft zu Sprechern der Bewegung aufschwingen wollen, und den Basisaktivisten, die tatsächlich die praktischen Kämpfe ausfechten.

Gewerkschafts- und NGO-Vertreter repräsentieren den höflichen Reformflügel der Antiglobalisierungskampagne. Sie werben für die sozialdemokratische Idee, den Kapitalismus zu zähmen statt ihn zu überwinden, und meistens werben sie für eine nationalistische und protektionistische Politik. Statt Institutionen wie die Weltbank zu bekämpfen, wollen sie sich mit ihnen an einen Tisch setzten und ein Teil der globalen Eliten werden. In der Regel sind es diese Leute, die die Pressekonferenzen organisieren, Interviews geben und Erklärungen veröffentlichen, in denen sie versuchen, die Ziele der Bewegung zu definieren.

Aber auf den Straßen, an den Arbeitsplätzen und in den Communities in vielen Teilen der Welt existiert eine andere Bewegung, eine militantere und radikalere, die die Armen organisiert, sich mit der Polizei herumschlägt und mit direkten Aktionen die neoliberale Agenda bekämpft. Diese Leute bilden das wirkliche Rückgrat der Bewegung für globale Gerechtigkeit, und es sind diese Kämpfe, die ich in »Another World is Possible« feiere.

Wenn wir ein Geburtsdatum für diese kämpferische Bewegung von unten wählen müssten, wäre es der 1. Januar 1994, der Beginn des zapatistischen Aufstands in Chiapas.

Es war kein Zufall, dass die Zapatisten dieses Datum gewählt haben, am selben Tag trat das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) zwischen den USA, Mexiko und Kanada offiziell in Kraft. Die Zapatisten wollten ein deutliches Zeichen gegen diese Art der Globalisierung setzen. Aber sie benutzten neue Organisationsformen und neue Formen des außerparlamentarischen Kampfes. Deshalb waren sie eine wichtige Inspiration für die Bewegungen auf der Straße und die Communities in vielen Teilen der Welt. Doch andere Organisationen sind ebenso wichtig.

Ein Beispiel ist die Landlosenbewegung (MST) in Brasilien, die immer wieder Landbesetzungen organisiert und es geschafft hat, dass jetzt eine halbe Million Familien auf besetztem Boden leben kann. Der MST entwickelt außerdem Formen der demokratischen Selbstorganisation und Selbstverwaltung in den neu entstandenen Communities.

Ein anderes Beispiel ist die Arbeitslosenbewegung in Argentinien, die Piqueteros. Sie organisiert Straßenblockaden, um Rechte für die Armen einzufordern. Wenn Regierungsvertreter zu Verhandlungen erscheinen, bestehen die Piqueteros darauf, dass die Gespräche öffentlich und nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden. Entscheidungen werden demokratisch von den Tausenden Beteiligten gefällt. Die Piqueteros haben auch basisdemokratische Strukturen in vielen Armenvierteln in ganz Argentinien etabliert.

Ein Höhepunkt dieser Art Kämpfe war im Jahr 2000 der so genannte Wasserkrieg in Bolivien. Als die Wasserversorgung in der Stadt Cochabamba privatisiert wurde, entstand eine gemeinsame Bewegung von Indigenas und Arbeitern. Sie organisierte Massenstreiks, und fünf Mal in der Woche verstopften bis zu 100 000 Leute die Innenstadt. Sie versammelten sich, um den Kampf zu organisieren. Anfang Februar erschütterte ein Massenaufstand die Stadt, die Polizei musste sich zurückziehen. Ein zweiter Aufruhr folgte im April. Daraufhin gab die Regierung klein bei und nahm die Privatisierung der Wasserbetriebe zurück.

Diese Kämpfe – Land besetzen, Straßen blockieren, neoliberale Politik verhindern – werden nicht von den sozialdemokratischen Funktionären der NGO oder der nationalen Gewerkschaften angeführt. Es sind militante Kämpfe von unten, von Armen, Indígenas und Arbeitern. Was diese Bewegungen auszeichnet, ist ihr Einsatz von militanten direkten Aktionen und Massenstreiks statt reformistischen Lobbyismus, ihre Verpflichtung zu unmittelbarer Demokratie statt Stellvertreterpolitik. Es sind diese Bewegungen, meine ich, die die Grundlage für eine neue radikale Linke schaffen.

Natürlich entwickelt sich diese radikale Linke auch im globalen Norden. Wir sehen Aktivisten, die ihre Körper einsetzen, um gegen die WTO in Seattle, gegen den Amerikagipfel in Quebec City oder gegen das G 8-Treffen in Genua zu kämpfen. Die meistens jungen Aktivisten haben eine neue Energie und Kreativität in den politischen Protest in Europa und Nordamerika gebracht. Viele von ihnen organisieren sich jetzt gegen den imperialistischen Krieg gegen den Irak.

Unter den Aktivisten in den radikalen Bewegungen ist der Einfluss des Anarchismus und des libertären Marxismus stark. Viele von ihnen sind angezogen von der Idee einer sozialen Revolution gegen den globalen Kapitalismus. Sie sind ebenso profeministisch und antirassistisch wie antikapitalistisch. Und viele von ihnen neigen mehr zu direkten Aktionen als zum Parlamentarismus.

Den Einfluss antikapitalistischer Politik können zwei Aktionen illustrieren, die ich erlebt habe. Während der Proteste gegen den Amerikagipfel in Quebec City im April 2001 beteiligten sich Tausende an Aktionen unter dem gemeinsamen Titel: »Karneval gegen den Kapitalismus«. Und der Protest gegen das G 8-Treffen in der kanadischen Hauptstadt Ottawa im Juni 2002 stand unter dem Motto: »Kapitalismus tötet.«

Das Aufkommen der neuen antikapitalistischen Bewegungen seit dem zapatistischen Aufstand ist eine der wichtigsten Entwicklungen für die radikale Linke weltweit. Zum erstenmal seit den siebziger Jahren haben wir die Möglichkeit, eine breite antikapitalistische Linke aufzubauen. Selbstverständlich wird dazu der Kampf gegen bürokratische und parlamentarische Strategien von nationalen Gewerkschaftsfunktionären und NGO-Vertretern nötig sein. Aber wir dürfen diese Leute nicht mit der Bewegung als solcher verwechseln. Es gibt eine ganz andere Bewegung, die sich von unten im Klassenkampf organisiert.

Diese Bewegung, die auch globale Handelsabkommen und die neoliberale Politik bekämpft, unterscheidet sich sehr von der traditionellen sozialdemokratischen Linken. Mit ihrer kämpferischen Haltung, der Taktik der direkten Aktion und der Bindung an die partizipative Demokratie schafft sie die Möglichkeit für sehr kraftvolle Bewegungen, für radikale Demokratie und libertären Sozialismus. Jene von uns, die sich den Massenbewegungen für radikalen sozialen Wandel verbunden fühlen, sollten jene unterstützen, die sich in diesen Kämpfen engagieren und ihnen bei ihrer Selbstorganisation für antikapitalistische Ziele helfen.