Mahnender Kitsch

In Berlin soll ein Mahnmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma errichtet werden. von ines kappert

Neun Jahre währte der Streit. Die Zusage für den Bau eines Mahnmals, das an den Völkermord der Nationalsozialisten an den Sinti und Roma erinnern soll, erhielten der Zentralrat deutscher Sinti und Roma und die Liga für Menschenrechte bereits im Jahr 1994. Allein die Verwirklichung zog und zog sich hin.

Als sich abzeichnete, dass ein gemeinsames Denkmal für alle Opfer des Nationalsozialismus nicht zu realisieren sein würde, sagte die Bundesregierung mit der Bewilligung eines Denkmals für die jüdischen Opfer in Berlin auch eines für die Sinti und Roma zu. Dennoch bedurfte es vieler Aktionen und Aufrufe, um das Projekt voranzubringen.

In einem an den damaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und den Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) übergebenen Appell im Jahr 2000, den Bau endlich in Angriff zu nehmen, hatten sich u.a. Simon Wiesenthal, Paul Spiegel, Michel Friedman, Helmut Schmidt, Gregor Gysi, 22 Mitglieder des japanischen Parlaments sowie Prominente wie Reinhold Messner, Günter Grass, Johannes Mario Simmel und Senta Berger eingesetzt.

Doch blieb die Finanzierung im bankrotten Berlin vorerst ungeklärt. Vor kurzem hat sich nun das Land Berlin mit dem Bund geeinigt: Das Land stellt das Gelände und der Bund das Geld für die Finanzierung des Denkmals. Der Baubeginn soll nach Aussage des Ministeriums für Kultur und Medien zu Beginn des kommenden Jahres sein.

Das Mahnmal für die Sinti und Roma wird an herausragender Stelle stehen: südlich des Reichstages, zwischen dem Simsonweg und der Scheidemannstraße. Auf Wunsch des Zentralrates der Sinti und Roma ist der 1930 in Israel geborene und heute in Paris lebende Künstler Dani Karavan mit der Gestaltung beauftragt worden. Eine Ausschreibung gab es nicht.

Geplant ist ein künstlicher See von etwa 30 Metern Durchmesser. In seiner Mitte soll eine Stele eingelassen werden, auf die täglich eine frische rote Rose gelegt werden soll. Diese soll dann langsam und von schrillen Geigenklängen begleitet aus dem Wasser auftauchen.

Dani Karavan bezeichnet sich selbst als »Landschaftskünstler« und ist für seine Gedenkstätten, Skulpturen und Parkanlagen berühmt. Im spanischen Portbou etwa erinnert eine schwere Eisenskulptur, die einen Korridor bildet, an dessen Ende der Blick auf das Meer frei wird, an den von den Nationalsozialisten in den Selbstmord getriebenen Philosophen Walter Benjamin.

In Nürnberg errichtete Karavan 1996 die »Straße der Menschenrechte« in Form eines Säulengangs, und in Paris findet sich ebenfalls seit 1996 der »Square of Tolerance«, der Yitzak Rabin gewidmet ist. Erinnerung und Versöhnung im Dialog mit Landschaften sind Karavans Themen.

»Meine Arbeiten entstehen in der Regel, um von Menschen benutzt zu werden. Ohne Menschen existiert meine Kunst nicht. Meine Arbeiten sind nicht zum Betrachten, sondern zum Erleben«, sagt Karavan. Es ist zu hoffen, dass auch der Berliner Entwurf, der mit Rose und Geigenklang in gewagter Manier Klischees aufgreift, dennoch seinem Zweck gerecht wird.

Das nun mit dem Mahnmal durchgesetzte öffentliche Bekenntnis, dass Roma und Sinti, ebenso wie die Juden, systematisch verfolgt wurden, sei von großer Bedeutung, sagt der Vorsitzende des Zentralrates, Romani Rose. Denn die Ermordung von rund 500 000 Sinti und Roma sei das Resultat eines programmatisch umgesetzten rassistisch motivierten Vernichtungswillens. Als Beleg hierfür wird vom Zentralrat Heinrich Himmlers Befehl im Rahmen des »Auschwitz-Erlasses« aus dem Jahre 1942 angeführt, 23 000 Sinti und Roma aus elf europäischen Ländern zu deportieren.

Dabei gab es so gut wie keine Überlebenden. Doch die Zahl von insgesamt einer halben Million Opfer bleibt vage, da die Geschichte der Verfolgung in Osteuropa bis heute nicht aufgearbeitet ist.

Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog hat diese Systematik der Vernichtung anlässlich der Eröffnung eines Dokumentations- und Kulturzentrums für Sinti und Roma in Heidelberg 1997 in folgende Worte gefasst: »Der Völkermord an den Sinti und Roma ist aus dem gleichen Motiv des Rassenwahns, mit dem gleichen Vorsatz und dem gleichen Willen zur planmäßigen und endgültigen Vernichtung durchgeführt worden wie der an den Juden. Sie wurden im gesamten Einflussbereich der Nationalsozialisten systematisch und familienweise vom Kleinkind bis zum Greis ermordet.«

Ausgerechnet dieses Zitat soll nun in den Brunnenrand des Mahnmals eingraviert werden. Auf Deutsch, Englisch und Französisch, denn die Botschaft richte sich an ein internationales, insbesondere aber europäisches Publikum, wie der ehemalige Staatsminister Julian Nida-Rümelin meint.

So wichtig die Erinnerung an die vergangenen Verbrechen sei, dürfe sie jedoch nicht dazu führen, die Gegenwart aus dem Blick zu verlieren, darauf weisen die Opferverbände geduldig hin. Derzeit leben nach Angaben des Berliner Flüchtlingsrates etwa 80 000 Sinti und Roma in der Bundesrepublik. Der überweigende Teil kam während des Kosovo-Krieges nach Deutschland. Allerdings verfügen sie über keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern sind nur geduldet.

Erst im Sommer vergangenen Jahres wurde auf der Konferenz der Innenminister in Bremerhaven die beschleunigte Abschiebung in den Kosovo beschlossen. Proteste, darunter auch die kurzzeitige Besetzung der Berliner Zentrale der PDS, führten zur Aussetzung der Abschiebungen während des Winters. Diese Schonfrist lief am 31. März diesen Jahres aus.

Deshalb sind derzeit mehrere tausend Personen unmittelbar von einer Abschiebung bedroht, obwohl nach Meinung des Berliner Flüchtlingsrats und der Vorsitzenden des Verbandes der Sinti und Roma Berlin-Brandenburg, Petra Rosenberg, die Lebensbedingungen für Sinti und Roma im Kosovo katastrophal seien.